Süße Rache: Roman (German Edition)
zwischen die Füße werfen würde.
Andererseits waren zwei Millionen immer noch zwei Millionen. Im Gegensatz zu Drea besaß er bereits ein Konto im Ausland – nein, mehrere -, weshalb ihm die Schwierigkeiten erspart blieben, mit denen sie jetzt kämpfte.
Irgendwann jedoch müsste er eine Entscheidung fällen, und dieser Punkt näherte sich rasend schnell. Sie laufen lassen oder die zwei Millionen einstreichen? Sie laufen lassen
oder das Risiko eingehen, sie hier in den Vereinigten Staaten zu erledigen? Viele Morde blieben ungelöst, trotzdem vergaß er nie, dass die Ermittler hier besser ausgerüstet waren als in einem Land der Dritten Welt.
Er warf einen Blick auf sein Navigationssystem. Auf ihrer Straße musste sie an jeder Kreuzung anhalten – das würde sie bremsen. Er war auf der Hauptstraße, auf der es im Zentrum, wenn man es denn so nennen wollte, genau zwei Ampeln gab und er ansonsten Vorfahrt hatte. Er wäre vor ihr an der Tankstelle.
Als er dort ankam, stellte er den Wagen vor der Druckluftstation ab und stieg aus, damit er immer hinter dem Wagen bleiben konnte, an welcher Zapfsäule sie auch hielt. Vielleicht hatte sie auch schon aufgetankt und musste gar nicht anhalten, aber das war kein Problem; ihr Vorsprung wäre nicht so groß, dass sie ihn abhängen würde, nicht in den wenigen Sekunden, die er brauchte, um wieder einzusteigen.
Dann kam sie in gemessenem Tempo die Straße heruntergefahren, nicht so schnell, dass sie angehalten werden konnte, aber auch nicht auffallend langsam. Während sie näher kam, schlich er langsam um seinen Pick-up herum, um immer hinter der Kabine zu bleiben, falls sie zufällig in seine Richtung sehen sollte.
Sie bog nicht ein. Sie bremste an der Kreuzung ab, schaute nach links und rechts und fuhr dann geradeaus nach Westen in Richtung Colorado.
Braves Mädchen, lobte er sie im Stillen. Sie hatte schon aufgetankt, statt etwas so Wichtiges bis zum letzten Moment aufzuschieben. Er ging um den Pick-up herum, kletterte in die Kabine und bog nur hundert Meter hinter ihr auf den Highway.
15
Drea warf einen Blick in den Rückspiegel, um sicherzugehen, dass niemand ihr folgte, sie sah, wie der Mann in den Pick-up stieg. Ihr Herz krampfte sich zusammen und setzte dann mehrere Schläge lang aus. Ihr Gehirn war wie blutleer, und die Straße verschwamm vor ihren Augen. Er war zu weit weg, als dass sie sein Gesicht erkennen konnte, aber sie hatte gesehen, mit welcher Eleganz, mit welcher todbringenden Geschmeidigkeit er sich bewegte. Sie hatte beobachtet, wie er den Kopf hielt und die Schultern durchstreckte, und hatte es im selben Moment gewusst, auf eine unerklärliche Weise gewusst, die ihr das Blut gefrieren ließ.
Dieser Pick-up. Sie hatte diesen Pick-up schon einmal gesehen, oder wenigstens einen, der genauso aussah, das konnte kaum ein Zufall sein. Es war dasselbe Modell in derselben Farbe wie der Truck, der vorbeigefahren war, direkt nachdem Mrs Pearson auf den Parkplatz vor dem Dollarstore gebogen war. Das war er gewesen, und er hatte sie schon da beschattet. Irgendwie hatte er herausbekommen, was sie vorhatte und wem er folgen musste, jetzt hatte sie Todesangst. Er war zu gut in seinem Job; wie sollte sie ihn je abhängen?
Sie konnte sich gerade noch beherrschen, nicht das Gaspedal durchzutreten, doch sie beschleunigte unwillkürlich, bis die Tachonadel auf die neunzig Meilen zukroch und die Vorderräder zu flattern begannen, bevor sie das Tempo wieder senkte. Sie konnte nur hoffen, den Abstand allmählich zu vergrößern, bis sie in eine Seitenstraße abbiegen oder sich hinter irgendwelchen Gebäuden verstecken
konnte; aber das würde sie bestimmt nicht schaffen, wenn der Wagen auseinanderflog.
Die Landschaft war nicht hilfreich. Das Land war zwar nicht gänzlich flach, aber so gut wie. Es gab keine Möglichkeit -
Sie begann schon wieder zu hecheln, ihr Herz hämmerte so rasend, dass sie kaum denken konnte. So durfte er sie auf keinen Fall erwischen; sie musste hellwach sein, sie musste nachdenken, und sie durfte nicht in Panik geraten.
Sie kämpfte gegen ihre Nervosität und gegen ihren Fluchtinstinkt an und zwang sich, den Druck vom Gaspedal zu nehmen, bis der Wagen nicht mehr unvernünftig schnell fuhr. Abhängen konnte sie ihn sowieso nicht; es wäre dumm, das auch nur zu versuchen. Der Pick-up war ein ausgewachsener Truck mit einem stärkeren Motor als dem Sechszylinder in ihrem Camry. Außerdem saß er höher, sodass er sie immer im Auge behielt, und
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