Süße Rache: Roman (German Edition)
Moment vom Gas ging und wie zuvor knapp sechzig Meilen fuhr.
Er gab sich damit zufrieden, hinter ihr herzufahren und sie im Auge zu behalten. Die Meilen rollten unter ihren Reifen dahin, und nach etwa einer Stunde überfuhren sie die Grenze nach Colorado, das in diesem Teil des Bundesstaates genauso flach war wie Kansas, weshalb sie auch hier keine Möglichkeit finden würde, ihn abzuschütteln. Er sah auf die Uhr, und er sah auf die Tankanzeige. Der Pick-up hatte einen größeren Tank als ihre Limousine, aber er schluckte auch deutlich mehr Benzin, daher war völlig offen, wer eher tanken musste.
Er musste sich überlegen, wann er in Aktion trat; je weiter sie nach Westen vordrangen, desto rauer wurde das Land, außerdem würde es bald dunkel. Er durfte sie nicht so weit vorausfahren lassen, dass sie die Scheinwerfer abstellen und von der Straße abbiegen konnte – ein riskantes Manöver, aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie es versuchen würde. Er müsste sich an ihre Stoßstange hängen, sobald es dunkel wurde, und wenn sie nicht zum Tanken anhielt, bevor seine Anzeige unter ein Viertel sank, würde er genau dann angreifen.
Was er unternahm, hing davon ab, was sie unternahm. Vielleicht war sie bewaffnet. Falls sie eine Waffe zog, hätte er keine Wahl mehr und würde sie erledigen. Seine eigene Waffe, eine Glock 17, lag neben seinem rechten Bein auf der Sitzbank. Er machte sich keine Sorgen, dass er mit einer Waffe aufgehalten werden könnte; er hatte einen
landesweit gültigen Waffenschein, der einer Inspektion durch die Lokal- oder Bundespolizei standhalten würde. Der Schein war gefälscht, aber bevor das ans Licht kam, mussten mehrere Tarnschichten abgetragen werden. Die Waffe hatte keine eingestanzte Seriennummer, sie konnte nicht zu ihm zurückverfolgt werden, er würde sie im Notfall ohne Bedenken wegwerfen.
Rasend schnell rückte der Zeitpunkt näher, an dem er sich entscheiden musste. Sie erledigen oder die Sache abhaken und nach New York zurückfliegen? Warum sich solche Umstände machen, wenn er den Job nicht erledigen wollte? Persönliches Vergnügen und Unterhaltung waren keine guten Gründe, hier aufzukreuzen. Er hatte zu viel Zeit und Geld damit vergeudet, ihr zu folgen, um am Ende dieser Reise auf sein Honorar zu verzichten.
Bisher hatte er noch nie etwas für eine Zielperson empfunden, weder im positiven, noch im negativen Sinn. Rein theoretisch war ein Menschenleben für ihn nicht wertvoller als das einer Stubenfliege. Dass er jemanden tötete, war keine Frage von richtig oder falsch, Politik, Religion, Liebe, Hass oder etwas anderem, sondern nur eine Frage des Honorars. Drea allerdings … fiel aus dem Raster. Er kannte sie, nicht nur körperlich, obwohl die Chemie, die ihre Körper vereint hatte, stärker war als alles, was er je erlebt hatte.
Er wusste, wie klug sie war, wie mutig und entschlossen. Sie war eine Kämpfernatur, ein Überlebenstyp. Er hatte sie noch nie ganz entspannt, nie ganz bei sich erlebt, aber andererseits nahm er an, dass sie sich seit Jahren keine unkontrollierte Sekunde gestattet hatte. Sie hatte eine Entscheidung gefällt und stand dazu.
Vielleicht fand er es nicht besonders klug von ihr, sich mit Rafael Salinas zusammenzutun, aber er wusste nicht,
unter welchen Umständen Drea zuvor gelebt hatte. Vielleicht war Salinas für sie das Ticket nach oben, obwohl das nur schwer vorstellbar war. Salinas war ein Gangster; vielleicht ein relativ kluger Gangster, aber trotzdem ein Gangster. Dass Drea ihre Rolle über einen so langen Zeitraum ohne ein einziges falsches Wort gespielt hatte, deutete auf ein Maß an Selbstdisziplin hin, das er bis dahin noch nicht erlebt hatte – außer bei sich selbst.
Hatte er vielleicht deswegen so lange gezögert? Weil er etwas in ihr entdeckt hatte, das ihn an ihn selbst erinnerte? Seine Gefühlskälte war es nicht, denn Dreas Mitgefühl reichte für sie beide, aber dafür sah er sehr wohl, was sie vor Salinas verborgen hatte, und das gefiel ihm gut. Vielleicht hatte er darum bis jetzt gezögert. Andererseits hatte er Salinas auch noch nicht informiert, wohin er sein Honorar überweisen sollte, und er erledigte seine Jobs grundsätzlich erst, nachdem er sich überzeugt hatte, dass der fällige Betrag auf seinem Konto lag.
Alles endete mit der immer gleichen Frage: Ja oder nein? Zuschlagen oder wegfahren? Sie laufen lassen oder die zwei Millionen einstreichen?
Wenn er den Job nicht erledigte, würde ihr Salinas den
Weitere Kostenlose Bücher