Süsse Sehnsucht Tod
eine bestimmte Aura ab.
Der Geist litt.
Er schrie.
Nicht zu laut, dennoch hörten sich die Schreie schrecklich an. Sie waren kaum mehr zu ertragen, und ich stellte mir vor, wie ein gespensterhaftes Etwas irgendwo im für mich Unsichtbaren durch seine Welt geisterte und sich dabei unter großen Schmerzen wand.
»Wer hat dich gefangen, Mandy?« rief ich. »Wer läßt dich nicht los? Wer hat in dir die Sehnsucht erweckt und dich in den Tod getrieben? Sag es! Du kannst es, das weiß ich genau, und ich will es endlich von dir hören!«
Das Heulen wurde zu einem bösen Kreischen. Die Lautsprecher hielten seltsamerweise. »Weg damit! Nimm es weg! Das Kreuz, das verfluchte Kreuz! Ich will es nicht sehen!«
»Kannst du es sehen?«
»Jaaa…!«
Es war für mich eine wichtige Information gewesen. Also ging es den Wesen auf der anderen Seite besser als uns. Ich wollte mehr wissen und sprach von einem Kompromiß. »Ich werde das Kreuz wegnehmen, wenn du mir erzählst, Mandy, wie stark Eddy Greene ist. Das muß ich wissen. Hast du gehört? Ich werde dich nicht mehr peinigen, du mußt…«
Etwas traf meinen Nacken.
Ich hatte plötzlich das Gefühl, der Kopf würde mir wegfliegen. Das Zimmer veränderte sich. Die Wand mit dem Regal kam auf mich zu, oder ich flog ihr entgegen.
Ich hörte die Stimme kaum noch. Dafür weinte jemand, so glaubte ich, und ich wollte mich in die Höhe stemmen. Da erwischte mich der zweite Hieb.
Er löschte mein Bewußtsein endgültig aus…
***
Die Tränen rollten über Iris’ Gesicht, als sie sah, wie John Sinclair zur Seite kippte, sich auf den Boden legte, streckte und nichts mehr tat.
Geschafft, dachte sie. Ich habe es geschafft. Sie schaute auf den Gummiknüppel, den sie in der rechten Hand hielt. Er war die einzige Waffe in ihrem Haus. Sie hatte die Waffe irgendwann einmal gefunden und mitgenommen.
Jetzt ging es ihr besser, obwohl es ihr leid tat, ihren Helfer niedergeschlagen zu haben.
Ein feines Rauschen drang aus dem Radio. Mehr nicht. Mandys Geist mußte sprachlos geworden sein.
Iris Cramer bückte sich. Sinclair hielt das Kreuz noch immer fest, aber die Faust hatte sich gelockert, und so war es für Iris leicht, ihm den Gegenstand wegzunehmen.
Sie spürte die leichte Wärme des Metalls und schauderte zusammen.
Zudem kriegte sie ein schlechtes Gewissen, und das schien einfach von diesem Kreuz auszugehen.
Wohin damit?
Sie wollte es auf keinen Fall behalten und steckte es wieder in die Jackentasche. So war ihr Gewissen etwas beruhigt, wo sie doch in diesem Zwiespalt steckte und nicht richtig wußte, wohin sie nun gehörte.
Jedenfalls war es ruhiger geworden, und Sinclair würde sie auch nicht mehr stören.
Und ich? Was tue ich? Iris wußte es nicht. Sie war übernervös und ging im Zimmer auf und ab wie eine Fremde, die den Raum zum erstenmal betreten hatte.
Das lauter werdende Rauschen stoppte sie. Neben ihr stand der Sesselstuhl mit dem straffen Bezug. Ohne es direkt zu wollen oder zu wünschen, ließ sie sich darauf nieder. Von dieser Position aus konnte sie ihre Anlage und die beiden Lautsprecher unter Kontrolle halten.
Jetzt wartete sie. Iris wünschte sich Mandy herbei. Sie hatte ihr noch soviel zu sagen, aber Mandy hielt sich zurück, und die Spannung stieg immer mehr an. Das Zimmer wurde zu einer Sauna. Die Luft nahm an Dicke zu, wobei das Rauschen auch weiterhin blieb.
Gequält verzog sie das Gesicht, bevor sie die Frage flüsternd hervorbrachte. »Mandy? Mandy – wo bist du?«
»Ich bin hier!« Lachen. »Ich bin hier, meine Liebe. Ich lasse dich nicht im Stich!«
Iris Cramer hatte sich gewünscht, etwas zu hören. Doch jetzt, wo der Wunsch in Erfüllung gegangen war, spürte sie das Gefühl der Aufregung wie Feuerstrahlen durch ihren Körper gleiten, und die nie erlebte Hitzewelle blieb auch bestehen.
Iris rang nach Luft. Es dauerte, bis sie wieder sprechen konnte. »Das Kreuz hat dir wirklich nichts getan, Mandy?«
»Es hat mich irritiert. Ein wenig geschwächt. Aber das ist vorbei. Ich mag es nicht. Nicht bei mir, nicht in meiner sichtbaren Umgebung. Ich kann es nicht haben. Ich bin jetzt anders geworden, verstehst du? Ich bin hineingelangt in seine Welt…«
Iris Cramer rang die Hände. »Meine Güte, du bist bei ihm. Es muß wunderschön für dich sein, nicht wahr?«
»Vielleicht.«
»Doch, ich glaube und spüre es.«
»Ich auch«, gab die Geisterstimme zu. Sie sprach, aber sie zirkulierte dabei. Es war schon unerklärlich, doch inzwischen hatte
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