Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
zu trauen. „Du willst unser Kind für eine Fotogeschichte missbrauchen?“
„Nein.“ Sein breites Lächeln wirkte eher, als wollte er die Zähne zeigen. „Ich breche mit einer Tradition der Castigliones, weil ich die Absicht habe, meinem Kind ein beschützender Vater zu sein. Niemand wird es wagen, meine Nachkommen zu irgendetwas zu benutzen. Weder um sich in den Medien interessant zu machen noch um Geld, Schmuck oder modischen Firlefanz von mir zu erpressen.“
Da war ja unglaublich. Michelle versuchte zu lachen. „Du klingst wie dein eigener Pressesprecher, Alessandro.“
Doch er blieb ernst. „Ich bin Realist. Deshalb habe ich dich davor gewarnt, dich in mich zu verlieben.“
Hatte er das? Und was bedeutete es überhaupt, zu lieben und geliebt zu werden? Ihr fehlte das Vorbild eines liebenden Paares. Sie war schon früh mit ihrer Mutter allein gewesen. Die hatte nicht einmal an die Liebe zwischen Mann und Frau geglaubt und auch für ihre Tochter keine Liebe übrig gehabt. Was kannte sie denn außer Abhängigkeit, den Vorwürfen, nicht zu genügen, und dem Bedürfnis nach echter Zugehörigkeit und Wärme?
Ihre Gefühle für Alessandro, so stark und schmerzlich sie auch waren, kreisten eher um körperliches Verlangen, um eine diffuse Sehnsucht nach seiner Nähe. Hatte das etwas mit Liebe zu tun?
Forschend sah sie ihn an, begriff, dass er – wie sie – mit Arbeit und Pflichten in der Isolation lebte, und spürte plötzlich ganz neuen Ehrgeiz in sich keimen. Was für eine Aufgabe wäre es, die Barrieren, die er um sich herum aufgebaut hatte, niederzureißen! Es würde ihnen beiden guttun. Dafür lohnte es sich, hierzubleiben. Außerdem war der Gästetrakt einer toskanischen Villa kein so schlechter Aufenthaltsort. Besser jedenfalls als alle ihre früheren Unterkünfte. Nicht zu vergleichen mit der Wohnung, die sie sich als arbeitslose Alleinerziehende würde leisten können.
Sie lächelte übermütig, weil sie glaubte, schon einen kleinen Riss in seiner Panzerung entdeckt zu haben. „Ist dir je in den Sinn gekommen, dass ich dich längst beim Wort nehme, Alessandro? Dass ich dich zu hassen begonnen habe, als du mich sitzen gelassen hast? Dass ich es ablehnen könnte, hierzubleiben?“
Seine Antwort kam prompt. „Nein, niemals, keine Sekunde lang habe ich daran gedacht. Ich sehe, dass du Hilfe brauchst und nur ich sie dir geben kann. Ganz gleich, wie wir uns dabei fühlen. Es gibt keinen anderen Weg, weder für mich noch für dich.“ Er legte die Serviette beiseite. „Möchtest du jetzt Nachtisch?“
Obwohl sie ihren Teller immer noch nicht leer gegessen hatte, nickte sie. Sprechen mochte sie nicht. Es hätte das zarte Netz der Hoffnung zerstört, an dem sie spann. In ihrer Vorstellung hatte seine eisige Zurückhaltung schon zu bröckeln begonnen.
Ein Mädchen erschien und stellte einen prächtigen Kuchen auf den Tisch.
„Die Franzosen nennen das nid d’abeilles . Ich hoffe, es schmeckt dir.“
Michelle betrachtete das Stück, dass er für sie auf einen schönen Porzellanteller gelegt hatte. Der federleichte Teig war mit Creme gefüllt, die Glasur mit gerösteten Mandeln belegt. „So etwas Verführerischem kann ich wohl nicht widerstehen.“
In seinen Augen glitzerte es gefährlich. Sie wurde verlegen, senkte den Blick und schaute auf seinen spöttisch lächelnden Mund. Wieder stieg Verlangen in ihr auf. Warum berührte er sie nicht? Und wenn er nur aus Versehen ihre Hand streifte oder sein Knie zufällig gehen ihren Oberschenkel stieß. Das könnte sie wenigstens als kleines Zeichen seiner Gefühle ansehen, die einen Weg gefunden hatten, seiner Kontrolle zu entgehen. Doch nichts davon geschah. Sie seufzte und griff zur Kuchengabel.
„Warte. Da fehlt noch etwas.“ Er griff zu dem Honigtopf, den das Mädchen bereitgestellt hatte.
„Wird das nicht zu süß?“
„Dafür hat der Koch weniger Zucker genommen, als das Rezept vorschreibt. Erst der Honig rundet den Geschmack ab. Er ist hier auf meinem Anwesen geerntet worden.“
Michelle beugte sich über das Glas. Der Inhalt duftete eigentümlich blumig.
„Versuch es.“
Sie zögerte. Eigentlich mochte sie keinen Honig. Nur weil Alessandro darum bat, ließ sie etwas von dem zähflüssigen Gold über ihr Stück Kuchen rinnen. Sie lächelte. „Der ist anders als die klebrige Masse, die ich kenne.“
Der Kuchen schmeckte wunderbar. Sein Geschmack und die Konsistenz passten hervorragend zusammen. Sie schloss die Augen und genoss.
„Das
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