Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
hast du ausgerechnet Fast-Food verkauft?“
Er lachte, doch es klang hohl. „Ich wollte mich auf einem Gebiet behaupten, wo mein Familienname wirklich nichts zählte, und habe mich bis zum Manager hinaufgearbeitet. Unter meiner Leitung übernahm die Kette immerhin die Marktführung und gewann mehrere Auszeichnungen für die Qualität der Ware.“
Michelle war ehrlich überrascht. „Deine Eltern müssen sehr stolz auf dich gewesen sein“, sagte sie und dachte an die eigene Mutter, von der sie kein einziges Lob erhalten hatte.
„Egal, sie leben inzwischen beide nicht mehr. Alle Welt rühmte die Großzügigkeit meines Vaters. Ich hielt ihn eher für verschwenderisch. Aber wenn es um Liebe und Verlässlichkeit ging …“
Er hielt inne, griff wieder zu Messer und Gabel und aß schweigend weiter. Die Art, wie er es tat, zeigte Michelle, dass sie an einen wunden Punkt gerührt hatte. Wenn sie den richtigen Augenblick abpasste, wollte sie darauf zurückkommen.
„Dann hat dir sicher deine Mutter Sicherheit gegeben, nicht wahr?“ Michelle seufzte. Gespräche über Familienleben machten ihr immer das Herz schwer. Die meisten anderen Menschen hatten keine Probleme damit.
„Mütterlichkeit war das Letzte, was man ihr nachsagen konnte“, sagte er mit vollkommen gefühlloser Stimme.
„Ach, Alessandro. Das tut mir leid.“
Er hob den Kopf und schaute sie an. Vorsichtig, vielleicht sogar misstrauisch. Jedenfalls war ihm ihr Mitgefühl unangenehm.
„Es hat mir geholfen, erfolgreich zu werden. Jedenfalls war ich gut vorbereitet, als ich die Leitung des Familienunternehmens übernehmen musste.“
Damit war das Thema für ihn abgetan. Michelle war froh. Auch sie hatte unter ihrer Mutter gelitten und sprach nicht gern darüber. Aber es war gut zu wissen, dass sie nicht die Einzige war. Und was hatte es auch für einen Sinn, mit den Toten zu hadern?
„Von Fast Food zur Kunst? Was für ein Wechsel! Ist er dir schwergefallen?“
„Eigentlich nicht.“ Er zuckte die Schultern. Auch als ich im internationalen Fast-Food-Geschäft arbeitete, achtete ich vor allem auf Qualität. Dort ging es eher wie auf einem belebten Marktplatz zu, während der Kunsthandel mir wie eine alte Kathedrale vorkommt. Beides hat seinen Reiz, wenn die Zeit und die Umstände richtig sind.“
„Du hattet also Glück.“
Er legte das Besteck beiseite und goss sich Wein ein. So rot wie Blut. „An Glück glaube ich nicht. Alles, was ich erreicht habe, verdanke ich mir selbst. Mir hat niemand geholfen. Gibt es nicht ein Sprichwort bei euch? Wer allein reist, reist schneller?“
Auch Michelle hatte fast ihr ganzes Leben lang geglaubt, sie müsste sich etwas beweisen. Inzwischen sah sie das kritisch. Sie hatte sich so verzweifelt bemüht, dass sie alles andere der Arbeit für ihre Mutter untergeordnet hatte. Alessandro schien von ähnlichen Dämonen getrieben zu sein. Welche Opfer hatte er gebracht?
„Wer so spricht wie du eben, leidet gewöhnlich unter Einsamkeit. Doch du wirkst so selbstbewusst und zufrieden. Du kannst doch nicht wirklich einsam …“ Sie schaute ihm in die Augen und suchte darin die Gemeinsamkeit. „Bist du es, Alessandro?“
Er trank einen Schluck Wein und setzte das Glas vorsichtig ab. Dann stützte er nachdenklich das Kinn auf die gefalteten Hände.
„Das ist eine sehr persönliche Frage. Wollte ich jemals wissen, weshalb du so kurz nach dem Tod deiner Mutter in der Lage warst, England zu verlassen?“
Sie senkte den Blick. „Darüber sollten wir lieber nicht sprechen. Nur so viel ist gewiss. Sie hätte sich zu Tode geschämt, wenn sie gewusst hätte, dass ich zu den Mädchen gehöre, die sich im Urlaub schwängern lassen.“ Verlegen nestelte sie an der feinen Stoffserviette. Sie hatte nicht wieder zur Sprache bringen wollen, was so schmerzhaft zwischen ihnen stand. Jedenfalls nicht jetzt.
„Deine Mutter hat hoffentlich keinen Einfluss mehr auf dich, Michelle.“ Er lehnte sich zurück und musterte sie. „Sie ist tot, und du bist eine erwachsene Frau.“
Während er sie forschend ansah, berührte sein Knie wieder ihren Schenkel. Ihr wurde heiß. War das wieder nur ein Versehen gewesen? In seinen dunklen Augen funkelte es verführerisch. Nein, Alessandro Castiglione passierte nichts, was er nicht wollte.
Sie schwieg.
Er beugte sich vor und lächelte. „Du hast dich als Frau bewiesen, Michelle. Du trägst meinen Erben. Das ist im Moment alles, was für mich zählt. Alles.“ Offenbar genoss er die
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