Suesse Versuchung
Vielleicht in einer halben Stunde?
Gerne. Soll sich der Kutscher dann bereithalten?
Der Kutscher?
Werden Mylady nicht ausfahren, um Besuche zu machen?
Sophie schüttelte den Kopf. Wen sollte sie denn schon besuchen? Sie kannte hier
kaum jemanden außer Tante Elisabeth, Augusta und Henry, und dies war ein Besuch,
den sie gerne noch einige Tage oder Wochen verschob. Ich werde nicht ausfahren.
Ich möchte mir dann gerne das Haus ansehen und würde mich freuen, wenn Sie mich
dabei begleiten. Sie trank die Schokolade aus, reichte Mrs. Drarey den leeren Becher
zurück und tupfte sich mit einem Tüchlein, das sie im Morgenmantel fand, über die
Lippen. Ich habe zwar schon einiges gesehen, aber noch lange nicht alles. Den Keller
zum Beispiel. Oder den Dachboden. Die Gästezimmer. Wenn sie schon nicht in ihr
eigenes Haus konnte, weil es von Schmugglern besetzt war, dann wollte sie
wenigstens dieses hier erforschen. Bis sie eine Möglichkeit gefunden hatte, Jonathan
Hendricks und seine Bande loszuwerden. Langsam glaubte sie, das seltsame
Verhältnis zwischen Edward und dem Captain zu verstehen. Edward hatte nicht weiter
erzählt, aber seine Bemerkung, dass Jonathan Hendricks ihm offenbar das Leben
gerettet hatte, machte vieles klarer. Deshalb verhielt sich Edward nachsichtig, deshalb
hatte er aber auch einen gewissen Einfluss auf Hendricks.
Als Mrs. Drarey gegangen war, kam kurz darauf eines der Mädchen, brachte einen
großen Krug mit heißem Wasser und verschwand wieder. Sophie versperrte die Tür,
riss die Bettdecke weg, tauchte ein Tuch ins Wasser und versuchte die dunklen
Flecken, die Edwards erstes Eindringen in sie verursacht hatte, wegzureiben. Es ging
nicht so recht, und außerdem war dann alles nass. Sie fluchte herzhaft auf Schottisch,
zerrte das Laken herunter und tauchte es in die Waschschüssel, rubbelte, nahm die gut
duftende Lavendelseife und rieb so lange, bis nur noch ein nasser Fleck übrig war.
Dann drapierte sie das Laken so auf dem Fensterbrett, dass die Sonne die Nässe
schnell trocknen würde.
Jetzt erst konnte sie sich aufatmend der eigenen Pflege widmen. Was wohl auch nötig
war. Wenn sie an ihrer Schulter, ihren Armen und Händen schnupperte, so glaubte sie,
noch Edwards Berührungen darauf wahrzunehmen. Als er sie geküsst, geleckt,
liebkost hatte. Den herberen Geruch seiner Männlichkeit, die sie selbst umfasst und
gestreichelt hatte. Nicht nur einmal, sondern oftmals, immer wagemutiger, je länger
die Nacht andauerte, und je mehr sie ihre Scheu verloren hatte. Edward hatte es ihr
auch leicht gemacht. Hatte mit ihr gescherzt, sie geküsst, bis alle Gedanken
davonflogen, hatte sie zum Lachen gebracht, zum Kichern, zum Stöhnen und Sophie
war sich diesbezüglich nicht ganz sicher aber vermutlich auch einige Male zum
Schreien.
Nach dem Frühstück führte Sophie gemeinsam mit Mrs. Drarey den geplanten
Rundgang durch. Das Haus hatte einige Schlafzimmer, von denen nur Edwards und
ihres benutzt wurden, die anderen wurden als Gästezimmer bereitgehalten. Das tiefer
liegende Erdgeschoss war den Haushaltsräumen und den Dienern vorbehalten. Wenn
man von der Halle eine Treppe hinaufstieg, so hatte man auf der rechten Seite im
Halbstock einen Empfangssalon, links von der Treppe ein Speisezimmer und in der
Mitte Edwards Arbeitszimmer und die Bibliothek. Die Schlafzimmer lagen im
Stockwerk darüber.
Sophie mochte das Haus. Es war geräumig, wenn auch nicht so groß wie Marian
Manor. Dafür war es wie Sophie insgeheim grimmig feststellte frei von
schmuggelndem Ungeziefer. Es war natürlich wesentlich kleiner als die Burg ihres
Vaters die wiederum weniger gemütlich, sondern reichlich zugig war. Im Grunde
bewohnten sie auf der Burg ohnehin nur sechs Zimmer ständig. Sie hatten auch keinen
eigenen Empfangssalon und kein Speisezimmer, sondern einen einzigen Raum, in dem
man Gäste empfing, und in dem sich die Familie auch tagsüber aufhielt und aß. Bei
größeren Festen benutzte man die riesige Halle.
Sophie sah keinen Grund, nicht das ganze Haus anzusehen, und so kam es, dass
Manson, Edwards Butler, sie und Mrs. Drarey auf dem Dachboden fand, wo Sophie
mit größter Begeisterung in alten Möbeln und im Staub stöberte.
Mylady, Lord Edward sendet Ihnen seine Empfehlungen, aber leider haben es
dringende Geschäfte nötig gemacht, dass er sofort nach London abreist.
Oh. Die Freude am Kramen verflog durch diese
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