Suesse Versuchung
es
war nur noch eine Frage der Zeit, bis er um ein Gespräch bei Lady Elisabeth ansuchte,
um formell um die Hand ihrer Tochter zu bitten.
Sophie, die sich wiederum wunderte, weshalb dieser begehrenswerte Lord Edward
niemals im Hause ihrer Tante oder in Augustas Nähe auftauchte und auch zu keiner
der langweiligen Whistgesellschaften geladen wurde, mit denen Lady Elisabeth ihre
Bekannten quälte, wurde von Augusta belehrt, dass dies eben dem guten Ton
entspreche. Und außerdem, wurde ihr erklärt, müsse man ihn ein wenig zappeln lassen.
Ihm in der Öffentlichkeit scheinbar die kalte Schulter zeigen, ihn in Unsicherheit
belassen, ob seine heiße Zuneigung jemals erwidert würde. So lange, bis er dann
dankbar und mit Tränen in den Augen zu ihren Füßen sinken und heiß ihre Hand
küssen würde, unfassbar glücklich, sie endlich die Seine nennen zu dürfen.
Sophie fand das mehr als dumm, auch wenn sie sich hütete, dies Augusta gegenüber
laut werden zu lassen. Aber offenbar ging es hier um Spielregeln, die Sophie nicht
begriff, weil sie so völlig verschieden von denen in Schottland waren. Dort fanden sich
die Leute zusammen, verliebten sich, heirateten. Fertig. Gezierte Spiele hatten darin
keinen Platz. Aber so waren sie eben die Engländer. Am besten, Sophie versuchte erst
gar nicht, sie zu verstehen. Es zahlte sich ohnehin nicht aus. Nur noch fünf Monate
und sie durfte heim, in eine Welt und eine Umgebung, in der man sagte, was man
dachte.
Sie hatte inzwischen schon ein wenig begriffen, weshalb ihre Cousine so schlecht auf
sie zu sprechen war, obwohl sie ihr niemals etwas getan hatte. Tante Elisabeth und
Augusta schienen es als oberstes Ziel zu betrachten, Augusta baldigst in den Stand der
Ehe eintreten zu sehen. Und da störte natürlich eine unverheiratete Cousine, die noch
dazu um etliche Jahre jünger war.
Sophie hatte ohnehin nicht die geringste Absicht, Augusta bei irgendeinem dieser
möglichen Heiratskandidaten, und schon gar nicht bei diesem Lord Edward,
auszustechen. Dagegen dachte sie in den letzten Tagen immer wieder an diesen
Menschen, der bei ihrem Haus über sie hergefallen war. Er war mehr als unverschämt
gewesen, und sie bereute es gelegentlich, ihn nicht doch mit dem Pferd attackiert zu
haben. Verdient hätte er es. Ob er aus Eastbourne stammte? Wohl kaum. Zweifellos
gehörte er zu dieser Bande von Tunichtguten, die wie Henry sagte mit dem
Prinzregenten aus London gekommen waren und nun in Brighton wohnten und die
ganze Gegend unsicher machten. Ja, genauso hatte er sich benommen. Wie einer
dieser verkommenen Wüstlinge, von denen man so viel hörte.
Auch am Abend des Balls, als sie vor dem Spiegel stand und noch ein wenig an
ihrem neuen Kleid herumzupfte, dachte sie wieder an ihn. Er hatte sie zwar zuerst für
einen Jungen gehalten, aber der eindringliche Blick, mit dem er sie angesehen hatte,
ging ihr nicht aus dem Sinn. Auch nicht dieses sinnlich-spöttische Lächeln, das ihr
jetzt noch Schauer über den Rücken jagte. Ob er sie in diesem Kleid anders behandeln,
sie vielleicht sogar bewundern würde? Auf jeden Fall würde er ihr in diesem Traum
aus Tüll und Seide mit wesentlich mehr Respekt begegnen als in den Hosen. Sie sah
darin tatsächlich wie eine Dame aus, und wenn sie sich auch so benahm, kam niemand
auf die Idee, sie auch nur herablassend zu betrachten, geschweige denn so
unverschämt zu behandeln.
Die Schneiderin hatte Sophie zu einem leicht geschnürten Korsett geraten, wie es
jetzt auch wieder in Paris in Mode kam, und ihre ohnehin schon schmale Taille noch
betonte. Das Oberteil war fast völlig schulterfrei, lediglich kleine Puffärmelchen
bauschten sich anmutig an den Oberarmen, und ihre Unterarme waren bis zu den
Ellbogen von geknöpften Seidenhandschuhen bedeckt. Das Mieder schmiegte sich an
Sophies Körper; es war ein wenig ausgeschnitten, aber nicht so tief, dass es Sophie in
Verlegenheit versetzt hätte, sondern nur gerade die vom Korsett hochgedrückten
vollen Hügel andeutete.
Am besten gefiel Sophie der Rock aus mit bunten Blümchen besticktem Tüll, der bei
jeder Bewegung raschelte und die hellblauen Seidenunterröcke durchblitzen ließ. Er
reichte bis zu den Knöcheln, sodass die in zierlichen Schuhen steckenden Füße frei
blieben. Unten am Saum befand sich eine Spitzenborte in derselben Farbe der
Blümchen, und die Ärmel waren ebenfalls mit Spitze abgeschlossen.
Tante Elisabeths Zofe hatte sie frisiert
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