Suesse Versuchung
Hendricks hintrat und leise auf ihn einsprach,
dabei sahen sie beide kurz in die Richtung, aus die er gekommen war. Captain
Hendricks ließ seine Blicke über die Umgebung schweifen, und einen kurzen Moment,
in dem Sophies Herz stillstand, hatte sie den Eindruck, dass er trotz der Dunkelheit
direkt in ihre Augen sah.
Höchste Zeit zu verschwinden. Als sie sich umwenden wollte, hörte sie neben sich
ein Geräusch. Sie hielt den Atem an, lauschte und starrte mit weit aufgerissenen
Augen um sich. Ihr Herz raste, dröhnte in ihren Ohren, dass sie schon fürchtete, man
könnte den Schlag bis zum Haus hinüber hören. Oben im Baum regte sich etwas. Dann
raschelten die Blätter, und sie sah zwei große Flügel, die sich ausbreiteten und durch
die Lüfte davonrauschten. Sophie duckte sich erschrocken, atmete dann aber tief und
erleichtert durch. Eine Eule.
Als der Wagen mit Henry scheppernd abfuhr, nutzte Sophie die Gelegenheit, sich
zurückzuziehen. Sie schlich gebückt wieder zurück, blickte sich um, ob sie auch nicht
verfolgt wurde, und lief dann erst aufrecht weiter, als sie sah, dass man sie vom Haus
aus nicht mehr sehen konnte, vermied jedoch den Weg und hielt sich zwischen den
Büschen. Als Sophie Rosalind unversehrt an derselben Stelle wiederfand, wo sie ihre
Stute angebunden hatte, fiel ihr ein Stein vom Herzen, und jetzt erst wurde ihr klar, in
welcher Gefahr sie sich befunden hatte, und wie dumm dieses Anschleichen gewesen
war. Die Männer hätten kurzen Prozess mit ihr gemacht, und Henry hätte ihr vor lauter
Angst bestimmt nicht geholfen. Ihre Knie begannen zu zittern. Es war höchste Zeit zu
verschwinden.
Sophie wollte nach dem Zügel greifen und sich in den Sattel schwingen, als sie von
zwei kräftigen Händen gepackt und von Rosalind weggezerrt wurde. Ihr erschrockener
Aufschrei wurde von einer Hand erstickt, die sich über ihren Mund legte. Ein Arm
schlang sich um sie und fesselte ihre Arme eng an ihren Körper.
Still. Ganz ruhig, Bürschlein. Das heisere Flüstern des Mannes, der sie so festhielt,
dass sie kaum ihre Arme bewegen konnte, gerade nur ein bisschen treten und zappeln,
war dicht neben ihrem Ohr. Oder willst du, dass die Bande dich hört?
Rosalind warf schnaubend den Kopf in die Höhe, und der Mann zerrte Sophie weiter
von dem Tier fort zu einem Baum, drehte sie herum und presste sie mit dem Rücken
gegen den Stamm. Was glaubst du, was die mit dir machen werden, wenn sie dich
hier erwischen?
Sophie gab nur einen erstickten Laut von sich, als sich die Hand von ihrem Mund
löste. Der Mann stand dicht vor ihr. Er hatte ihre Handgelenke ergriffen und ihre Arme
so zurückgebogen, dass ihr Rücken und ihre Arme sich an den Stamm schmiegten. Der
Baum war schlank genug, sodass ihr Angreifer nach hinten fassen und Sophies beide
Handgelenke auf der anderen Seite mit einer Hand festhalten konnte, während sein
Körper sie von vorne hielt. Sie wollte sich hervorwinden, sich losreißen, aber da wurde
schon ein Riemen um ihre Handgelenke geschlungen. Sie zerrte daran, aber die
Fesseln hielten.
Ruhig. Oder soll ich die anderen rufen? Hm?, fragte er nach, als Sophie keine
Antwort gab, sondern nur heftig atmend dastand und gegen ihre beginnende Hysterie
ankämpfte. Sie hätte es niemals zulassen dürfen, dass er sie fesselte! Sie hätte sich
wehren müssen, selbst auf die Gefahr hin, dass die anderen Schmuggler alarmiert
worden wären. Treten hätte sie müssen, schlagen, kratzen! Und dann auf Rosalind
springen und wegreiten. Bis die Männer vom Haus hier gewesen wären, hätte sie
schon einen schönen Vorsprung gehabt.
Wie hatte sie nur so dumm in diese Falle laufen können! Gewiss hatte er sie
beobachtet. Vielleicht sogar schon, als sie Rosalind hier angebunden hatte. Oder hatte
er sie am Haus gesehen und war ihr gefolgt?
In diesem Moment drückte er sie mit seinem ganzen Körper gegen den Baum. Sophie
stieß ein unterdrücktes Ächzen aus. Sie versuchte zur Seite wegzurutschen, sich
mitsamt den Fesseln um den Baum zu drehen, aber er packte ihre Schultern und hielt
sie fest. Sie fühlte seine harte Brust, seinen Bauch, seine Schenkel. Sein Unterleib
schmiegte sich an ihren. Sie hatte sich noch nie in einer derart hilflosen Situation
befunden und geriet in Panik. Was wollte er? Sie töten?
Aber das hätte er schon längst tun können! Wollte er sich an ihrer Angst weiden?
Sich an ihr vergreifen? Ruhig bleiben. Ganz ruhig bleiben, Sophie ,
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