Suesse Versuchung
nicht zu berühren, und spürte doch den Wunsch, genau das zu tun. Der
versprochene Kuss fiel ihr wieder ein. Sie schluckte, ein kleiner Schauer lief über sie,
und sie hatte plötzlich Mühe, nicht ununterbrochen auf Lord Edwards Lippen zu
starren. Waren sie weich? Warm? Kühl? Hart? Fordernd? Sie atmete schneller,
beobachtete, wie sich seine Lippen beim Sprechen bewegten.
Du kannst schon vorlaufen, Freddy. Erwarte mich dann bei Lady Elisabeths Haus.
Ja, Mylord. Der Groom machte eine kleine Verbeugung zu Sophie und lief einen
kleinen Fußweg entlang. Eine Abkürzung, die auch Sophie genommen hatte, die aber
für den Wagen viel zu eng war.
Nein, natürlich ist der Korb nicht schwer, schloss Lord Edward an das begonnene
Gespräch an. Aber eine Zofe hätte Ihnen die Peinlichkeit erspart, mit Sir Winston
allein zu sein. Und außerdem hatte ich Ihnen ja nahegelegt, nicht allein
herumzulaufen, Bengelchen.
Wie
, Sophie schnappte nach Luft, aber dann entschloss sie sich, das Wort
Bengelchen zu überhören. Sir Winstons Gegenwart war keine Peinlichkeit. Und er ist
mir, im Gegensatz zu einem gewissen anderen Gentleman, dies war mit einem
ätzenden Unterton gesagt, auch nicht zu nahe gekommen.
Ein gewisser anderer Gentleman, erwiderte Lord Edward ungerührt, hätte die
Situation zweifellos besser zu nutzen gewusst. Er ließ die Pferde im Schritt gehen,
wandte den Kopf und erlaubte seinem Blick, anzüglich über Sophie zu wandern. Über
ihr Gesicht, ihren Hals, ihr Dekolleté und über die gefälligen Wölbungen. Sophie hatte
das Gefühl, dass jeder Zentimeter ihrer Haut zu prickeln begann.
Als er weitersprach, war seine Stimme so unverschämt wie sein Blick. Ich bin
überzeugt davon, Miss McIntosh, Sie waren ebenfalls bitter enttäuscht, dass Sir
Winstons Gegenwart Sie daran gehindert hat, mir endlich den Preis für meine Hilfe
beim Ball zu erstatten. Zweifellos fiebern Sie schon danach, Ihre Schulden bei mir
begleichen zu können.
Sophies Haut prickelte nicht mehr, sondern sie brannte. Besonders ihre Wangen. Sie
mussten hochrot und glühend heiß sein. Und woher wusste er, dass sie tatsächlich
daran gedacht hatte? Sah man es ihr so sehr an?
Sie suchte ihr Heil im Angriff. Wie können Sie nur! Es war schon dreist genug von
Ihnen, mich in dieser prekären Situation zu erpressen! Aber mir jetzt auch noch zu
unterstellen
Ich hatte Ihnen lediglich unterstellt, unterbrach er sie mit ironisch hochgezogenen
Augenbrauen, dass es Ihnen sehr unangenehm sein muss, die Last dieser Schulden zu
tragen. Er hielt die Pferde an und beugte sich ein wenig näher zu ihr. Es wäre mir
ein wirkliches Bedürfnis, Sie möglichst schnell davon zu befreien, Miss McIntosh.
Was fällt Ihnen ein?! Sie suchte krampfhaft nach etwas, mit dem sie ihm eine
Abfuhr erteilen konnte. Und dann fiel ihr Phaelas ein. Ich bin verlobt! Das war nicht
so völlig gelogen, wenn man bedachte, dass ihr Vater die Absicht gehabt hatte, sie mit
Phaelas zu verheiraten. Es gab ihr im Moment sogar einen Anstrich von Ehrbarkeit.
Und den hatte sie als Schutz vor Lord Edward bitter nötig.
Verlobt? Er zog sich zurück und musterte sie unter zusammengezogenen
Augenbrauen. Die violetten Augen schienen dunkler zu werden. Das höre ich heute
zum ersten Mal.
Es gab ja wohl auch keinen Grund, Sie in meine familiären Verhältnisse
einzuweihen, gab Sophie hochmütig zurück. Mein Verlobter lebt in Schottland. Wir
sind schon sehr lange ineinander verliebt. Er ist das Oberhaupt des Nachbarclans.
Wenn ich meine Zeit hier abgesess
ich meine, sobald ich heimkehre, werden wir
heiraten. Nicht, wenn sie es verhindern konnte und Vater McIntosh sein Mädchen
noch liebte, aber der halb verwirrte, halb verdrießliche Ausdruck in Lord Edwards
Gesicht brachte ihr eine gewisse Genugtuung. Zumindest war er weniger irritierend als
dieses sinnliche Lächeln und diese dunkle, spöttische und doch schmeichelnde
Stimme.
Dann war das wohl ein Missverständnis. Ich bitte um Verzeihung, Miss McIntosh.
Er wandte sich abrupt ab und trieb die Pferde zu einer schnelleren Gangart an. Seine
Augenbrauen waren immer noch zusammengezogen, und um seinen Mund lag ein
verärgerter Zug.
Ein Missverständnis? Inwiefern denn?
Er sah sie nicht an, sondern blickte nur geradeaus. Nichts weiter, Miss McIntosh.
Seine Stimme klang gleichgültig. Haben Sie die Gelegenheit
Weitere Kostenlose Bücher