Sueße Versuchung
McIntosh, Sie waren ebenfalls bitter enttäuscht, dass Sir Winstons Gegenwart Sie daran gehindert hat, mir endlich den Preis für meine Hilfe beim Ball zu erstatten. Zweifellos fiebern Sie schon danach, Ihre Schulden bei mir begleichen zu können.«
Sophies Haut prickelte nicht mehr, sondern sie brannte. Besonders ihre Wangen. Sie mussten hochrot und glühend heiß sein. Und woher wusste er, dass sie tatsächlich daran gedacht hatte? Sah man es ihr so sehr an?
Sie suchte ihr Heil im Angriff. »Wie können Sie nur! Es war schon dreist genug von Ihnen, mich in dieser prekären Situation zu erpressen! Aber mir jetzt auch noch zu unterstellen …«
»Ich hatte Ihnen lediglich unterstellt«, unterbrach er sie mit ironisch hochgezogenen Augenbrauen, »dass es Ihnen sehr unangenehm sein muss, die Last dieser Schulden zu tragen.« Er hielt die Pferde an und beugte sich ein wenig näher zu ihr. »Es wäre mir ein wirkliches Bedürfnis, Sie möglichst schnell davon zu befreien, Miss McIntosh.«
»Was fällt Ihnen ein?!« Sie suchte krampfhaft nach etwas, mit dem sie ihm eine Abfuhr erteilen konnte. Und dann fiel ihr Phaelas ein. »Ich bin verlobt!« Das war nicht so völlig gelogen, wenn man bedachte, dass ihr Vater die Absicht gehabt hatte, sie mit Phaelas zu verheiraten. Es gab ihr im Moment sogar einen Anstrich von Ehrbarkeit.
Und den hatte sie als Schutz vor Lord Edward bitter nötig.
»Verlobt?« Er zog sich zurück und musterte sie unter zusammengezogenen Augenbrauen. Die violetten Augen schienen dunkler zu werden. »Das höre ich heute zum ersten Mal.«
»Es gab ja wohl auch keinen Grund, Sie in meine familiären Verhältnisse einzuweihen«, gab Sophie hochmütig zurück. »Mein Verlobter lebt in Schottland. Wir sind schon sehr lange ineinander verliebt. Er ist das Oberhaupt des Nachbarclans.
Wenn ich meine Zeit hier abgesess … ich meine, sobald ich heimkehre, werden wir heiraten.« Nicht, wenn sie es verhindern konnte und Vater McIntosh sein Mädchen noch liebte, aber der halb verwirrte, halb verdrießliche Ausdruck in Lord Edwards Gesicht brachte ihr eine gewisse Genugtuung. Zumindest war er weniger irritierend als dieses sinnliche Lächeln und diese dunkle, spöttische und doch schmeichelnde Stimme.
»Dann war das wohl ein Missverständnis. Ich bitte um Verzeihung, Miss McIntosh.«
Er wandte sich abrupt ab und trieb die Pferde zu einer schnelleren Gangart an. Seine Augenbrauen waren immer noch zusammengezogen, und um seinen Mund lag ein verärgerter Zug.
»Ein Missverständnis? Inwiefern denn?«
Er sah sie nicht an, sondern blickte nur geradeaus. »Nichts weiter, Miss McIntosh.«
Seine Stimme klang gleichgültig. »Haben Sie die Gelegenheit vorhin dazu genutzt, mit Sir Winston über die Spuren beim Haus Ihrer Großmutter zu sprechen?«
Sophies Lider flatterten leicht. »Nein … ich … äh …« Was sollte sie nun sagen?
»Dazu bin ich nicht gekommen. Ich denke auch, dass Henry mit seiner Annahme recht hatte. Das waren sicher nur übermütige junge Leute, die von London oder Brighton herübergekommen sind. Und sie haben ja keinen Schaden angerichtet.« Sie musterte besorgt das Profil des Mannes neben ihr. »Haben Sie mit Sir Winston gesprochen? Sie sagten auf dem Ball, dass Sie das vielleicht tun würden.«
Lord Edwards Miene hatte sich weiterhin verändert und zwar auf eine Art, die sie überraschte. Sie wurde zurückhaltend und kühl wie seine Stimme. So hatte Sophie ihn in ihrer Gegenwart noch nie gesehen. Sie wünschte plötzlich wieder diesen anderen Tonfall herbei, der sie beunruhigte und keine kalten, sondern angenehm warme Schauer über den Rücken laufen ließ. »Ich wollte es, bin jedoch nicht dazu gekommen.
Aber ich muss Ihnen zustimmen. Es ist gewiss nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssten. Allerdings würde ich an Ihrer Stelle nicht alleine dort hinreiten. Das Haus ist doch etwas abgelegen und baufällig.«
Nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssten.
Wenn die Tatsache, dass eine ganze Schmugglerbande Großmutters Haus als Absteige missbrauchte, und ihr eigener Vetter Henry dazugehörte und Gefahr lief, ins Gefängnis oder an den Galgen zu kommen, nichts war, worüber man sich Gedanken machen musste, dann war die Welt ja wirklich ein heiler, sicherer Ort. Sophie fragte sich allerdings, ob Lord Edward auch meinte, was er sagte. Wie kam es, dass er immer dort auftauchte, wo auch die Schmuggler waren? Dass es reiner Zufall war, schien Sophie, wenn sie darüber
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