Sueße Versuchung
nicht so ein Ding.
Hinter der Tür, die zu Edwards Zimmer führte, hörte sie ein Geräusch. Sie fuhr zusammen und wandte sich ängstlich um. Aber noch war die Tür geschlossen. Sophie löschte alle Kerzen bis auf eine, die sie in die entfernteste Ecke des Zimmers stellte.
Sie musste sich ausziehen, sonst wusste Edward gleich, dass sie nicht auf ihrem Zimmer gewesen war.
Sie ergriff das Nachthemd und eilte hinter den Paravent, der den Waschtisch vom übrigen Zimmer abtrennte – die Whiskeyflasche nahm sie mit. Sie riss sich mit zittrigen Fingern das Kleid herunter, dann die Unterröcke, das Mieder. Sie fröstelte, als sie für wenige Sekunden nackt dastand. Die Höfe um ihre Brustwarzen hatten sich zusammengezogen, und die Spitzen standen hart weg. Sophie zog sich die Seide über den Kopf, zog daran, bis alles richtig saß, und betrachtete sich im Spiegel.
Genauso gut hätte sie auch gleich ganz nackt in die Hochzeitsnacht gehen können.
Selbst die eine Kerze gab noch genügend Licht, um die Konturen ihres Körpers durch das hauchdünne Gebilde schimmern zu lassen. Ihre Brustwarzen bohrten sich verräterisch durch die Seide, wobei Sophie ja noch dankbar sein musste, dass sie von den Spitzen überhaupt bedeckt waren. Wäre der Ausschnitt noch tiefer gewesen, würden ihre Brüste glatt darüber hängen. Sophie zupfte herum, aber es half alles nichts. Der Ausschnitt endete genau einen halben Fingerbreit über den dunklen Höfen.
Sie sah, wie ihr Spiegelbild die Lippen zusammenpresste. Edwards Werk. Er hatte natürlich dieses Gespinst erworben. Gewiss nicht Tante Elisabeth. Sophie kicherte bei dem Gedanken. Dann kicherte sie stärker. Dieses angenehme Summen war wieder in ihrem Kopf, machte sie etwas wirr, die Farben verschwammen ein wenig. Das war der hilfreiche Whiskey. Sie zog den Glasstöpsel heraus und nahm noch einen Schluck.
Dann blinzelte sie ihrem Spiegelbild zu. So war das gleich viel besser. Ihre Wangen hatten die Totenbleiche verloren, und in ihren Augen war ein gewisser Glanz. Jetzt wagte sie es sogar, hinter dem Paravent vorzukommen und festzustellen, ob die Verbindungstür zu Edwards Zimmer abgeschlossen war.
Sie machte einige schnelle Schritte dort hin, griff nach dem Knauf und fuhr zurück, als er sich just in dem Moment bewegte, und die Tür geöffnet wurde. Edward stand darin. Im Morgenmantel und mit diesem verwirrenden Lächeln um die Lippen.
Sein Blick glitt über sie. Langsam und mit einer Eindringlichkeit, die ihre vom Whiskey geröteten Wangen gewiss noch mehr verdunkelte. Wirklich, sie hätte gar nichts mehr anziehen müssen, wenn sie Edwards Blick richtig deutete. Für ihn war sie so gut wie nackt.
»Du bist noch nicht zu Bett, Sophie?«
»Wie …? Nein … ich wollte …« Sophie schielte über Edwards Schulter durch die geöffnete Tür. Edward trat einen Schritt zur Seite. »Willst du hereinkommen?«
»Nein, danke. Sehr liebenswürdig«, sagte sie hastig. »Vielleicht ein anderes Mal.«
»Wie du willst.« Edwards Lächeln hatte sich verstärkt, es hatte nichts Höfliches an sich. Nicht einmal etwas Freundliches. Sophie suchte nach einem Ausdruck dafür und alles, was ihr einfiel, war
lüstern
. Er griff in die Tasche seines Morgenmantels und zog ein Bündel Papiere heraus.
»Hier sind die Schuldscheine.« Jetzt war sein Lächeln verdächtig ironisch. Und zugleich triumphierend. Er wusste, dass sie nun keine Ausrede mehr hatte, die Hochzeitsnacht hinauszuschieben. Es war sein Teil der Abmachung. Nun verlangte er ihren.
Aber so umnebelt Sophies Gehirn auch von Edwards Lächeln und dem Whiskey war, so stark war ihr Bedürfnis, endlich zu wissen,
wen
sie in ihr Zimmer und in ihr Bett lassen würde. Sie ging zu dem verspielten Sessel vor ihrer Frisierkommode und setzte sich mit zittrigen Knien darauf. Sie musste es klären. Jetzt, auf der Stelle.
»Edward, ich muss dich etwas fragen, und ich bitte dich, mir die Wahrheit zu sagen.«
Edward hob die Augenbrauen. Wie ernst sie aussah. Vermutlich ging es um Jonathans Besuch. Zu dumm, dass er nicht daran gedacht hatte, eine Champagnerflasche mit ins Zimmer zu nehmen. Das hätte sie abgelenkt und wieder in diese vielversprechende Stimmung versetzt.
»Ja?« Er setzte sich auf das Bett und ließ seine Finger über die seidigen Laken laufen, während er Sophie betrachtete. Nach den Schuldscheinen hatte sie nicht gegriffen, und er legte sie neben sich. Sie hatte aber das Nachthemd angezogen. Das war schon ein guter Anfang. Es war ein
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