Süße Worte, heißes Flüstern
Schulter rief Hannah zurück: “Holen Sie bitte schnell Dr. Lansky. Es hat einen Unfall gegeben.”
“Ist da einer mit seinem Motorrad in Ihren Garten gerast? Ich sag’s ja immer: Die Dinger müssten verboten werden.”
“Mrs Peterson, bitte, beeilen Sie sich. Wir haben einen Verletzten.”
“Ich geh ja schon. Aber heute ist Dienstag. Da ist Dr. Lansky meistens in der Klinik, wenn er nicht sogar seinen freien Tag hat und zum Angeln gefahren ist.”
“Mrs Peterson – bitte!”
“Ja, Liebe, ja. Ich beeil mich ja schon. Ich ruf ihn an.” Damit verschwand sie im Haus.
Hannah berührte die Wange des wie leblos vor ihr Liegenden und war froh, dass sich die Haut warm anfühlte. Das lange schwarze Haar war dem Mann ins Gesicht gefallen. Vorsichtig strich sie es ihm aus der Stirn und bemerkte, dass er über der linken Augenbraue eine klaffende Platzwunde hatte. Das Gesicht hatte ebenmäßige, ausgeprägt männliche Züge. Der scharf gezeichnete Mund, die hohen Wangenknochen und der Schnitt der Augen deuteten auf eine indianische Herkunft hin.
Der Verunglückte stöhnte plötzlich auf. Seine Lider zuckten, aber die Augen blieben geschlossen.
“Bleiben Sie liegen”, sprach Hannah beruhigend auf ihn ein. “Wir haben einen Arzt gerufen. Er muss gleich hier sein.”
Sein schwarzes T-Shirt war vom Halsausschnitt bis über die Schulter zerrissen. Vorsichtig sah Hannah nach, konnte aber, außer ein paar kleineren Schrammen, keine weiteren Verletzungen entdecken. Sie tastete die Stelle um das Schlüsselbein, den Brustkorb und beide Arme ab, um zu prüfen, ob er sich etwas gebrochen hatte. Aber er wirkte unversehrt und in guter Form, in sogar sehr guter Form. Es war ein Genuss, diesen athletisch gebauten, muskulösen Körper zu betrachten und zu betasten. Obwohl es niemand außer ihr wissen konnte, schämte sich Hannah ein wenig, in diesem Augenblick auf so etwas zu achten.
Ihre flüchtige Untersuchung hatte nichts zu besagen. Der Mann könnte sich alles Mögliche gebrochen oder innere Verletzungen davongetragen haben. Am gefährlichsten sah die Verletzung über dem Auge aus. Da sie gerade nichts anderes zur Hand hatte, nahm Hannah ihr rosa T-Shirt und tupfte mit dem Saum das Blut ab, das ihm in einer dünnen Linie über die Schläfe lief.
Wahrscheinlich wieder einer von diesen verrückten Motorradfans, dachte Hannah, während sie den Mann betrachtete. Aus dem Ort war er sicher nicht. Sie lebte seit ihrer Geburt vor sechsundzwanzig Jahren in Ridgewater und kannte in der Stadt und der näheren Umgebung so gut wie jeden. Ihr Blick fiel auf die ein Stück weiter auf der Seite liegende Harley Davidson. Dem Nummernschild nach kam der Lebensretter ihrer Tochter aus New Mexico.
Hannah hatte noch immer nicht ganz begriffen, was eigentlich passiert war. Vor ein paar Minuten hatten Maddie und Missy noch friedlich mit ihren Puppen im Wohnzimmer gespielt, während sie eines dieser unerfreulichen Telefongespräche mit ihrer Tante Martha führen musste. Seit zwei Jahren ging es ständig um die gleichen Fragen. Ihre Tante fand es unmöglich, dass Hannah die beiden Mädchen allein in einem gottverlassenen Nest irgendwo im hintersten Texas fernab von jeder Kultur aufzog. Ständig lag sie ihr in den Ohren, sie solle das Haus, das testamentarisch ihnen beiden gehörte, verkaufen und mit den Mädchen zu ihr nach Boston ziehen.
Es war völlig fruchtlos, ihrer Tante immer wieder zu erklären, dass sie, Maddie und Missy in Ridgewater glücklich seien und dass es ihr gar nicht einfiele, das Haus, das ihren Großeltern gehört hatte, zu verkaufen. Am meisten ärgerte Hannah, dass ihre Tante hartnäckig versuchte, ihr ihren Plan auszureden, die oberen Zimmer umzubauen und ihre Einkünfte aufzubessern, indem sie Übernachtung und Frühstück anbot.
Als das Gespräch wieder einmal diesen toten Punkt erreicht hatte, hatte Hannah plötzlich den Lärm und Missys ängstliche Rufe gehört und ohne Abschied oder Erklärung den Hörer aufgelegt.
Sie konnte sicher sein, dass ihre Tante Martha deswegen immer noch vor Wut schäumte. Aber Hannah hatte im Augenblick andere Sorgen. Der Mann vor ihr warf den Kopf nun hin und her und stöhnte. Sie legte ihm die Hand auf die Stirn und sprach ihn leise an. “Sie sollten sich jetzt möglichst wenig bewegen.”
Bevor sie etwas hinzufügen konnte, schlug der Mann die Augen auf und setzte sich mit einem Ruck auf. “Wo ist Vinnie?”, stieß er hervor und packte sie unsanft am Arm. Seine Augen
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