Suesser Als Blut
im Halbdunkel des Taxis denken konnte, waren Darius und die Träne, die ihm über die Wange gekullert war. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und starrte blind aus dem Fenster, während sich das Taxi langsam durch den lebhaften Abendverkehr schlängelte.
»Falls du dir Sorgen um den Mann machst«, sagte Malik leise, als wüsste er, was in mir vorging, »er kannte Rios Fütterungsmethoden, bevor er Mitglied ihres Haushalts wurde.«
Ich seufzte. Hieß das, dass Darius sich gern misshandeln ließ? Ich hatte nicht diesen Eindruck gehabt, aber was wusste ich schon?
»Er kann jederzeit den Antrag stellen, seinen Meister zu wechseln«, fuhr Malik sanft fort.
Ich schaute böse zu den Autos hinaus, die uns in Gegenrichtung passierten. »Als ob Rio das zulassen würde.«
»Es wäre nicht ihre Entscheidung. Die Entscheidung liegt bei unserem Obersten Gericht.« Seine Stimme nahm einen harten Klang an. »Wir sind im Vergleich zur Menschheit nur eine verschwindend kleine Minorität. Ohne unsere alten Gesetze und Gebräuche könnten wir uns nicht selbst regieren, dann herrschte Anarchie.«
»Spar dir die Propaganda für jemanden auf, der sich dafür interessiert.« Ich wandte ihm mein Gesicht zu. »Rio war nicht die Einzige in diesem Zimmer, der einer abging.«
Er starrte mich aus kühlen schwarzen Augen an. »Ich bin ein Vampir. Da war überall Blut. Was erwartest du von mir?«
Ich erwiderte seinen Blick. »Nichts. Absolut nichts.«
Er streckte die Hand aus und berührte den Bluterguss unter meinem linken Auge. »Gewalt ist dir nichts Fremdes.« Er drückte seinen Daumen sanft auf die empfindliche Stelle.
Ich verkrampfte mich, aber es gelang mir, nicht vor seiner Berührung zurückzuzucken.
»Oder Schmerzen«, murmelte er.
Etwas in mir zog sich lustvoll zusammen. Ich schlug seine Hand weg.
»Dennoch willst du mich für das verurteilen, was du selbst ersehnst.«
»Das da« – ich deutete auf den Bluterguss – »ist im Dienst passiert, nicht bei einem sadistischen kleinen Sexspiel.«
»Blut, Sex, Gewalt.« Er strich sich mit einer eleganten Bewegung das Haar aus der Stirn. »Du betrachtest das alles aus einer eher menschlichen Perspektive – ziemlich befremdlich für einen Angehörigen deiner Rasse. Du kommst mir vor wie ein neugeborener Vampir, der unter Gewissensbissen leidet. Entsetzt, ja, angeekelt stellt er fest, dass er sich nun von den Angehörigen seiner früheren Rasse nähren muss – bis ihm klar wird, dass er absolute Kontrolle über die Menschen hat, eine fast göttliche Macht über Leben und Tod.« Er schaute mich an. »Er erkennt, dass er alles mit ihnen tun kann, was immer er will, ja, er kann sogar die Gefühle seiner Opfer manipulieren: Angst, Schmerz, Hoffnungslosigkeit, Trost, Lust, Freude«, zählte er beinahe gleichgültig auf. »Das sind Erfahrungen, die fast alle neuen Vampire durchmachen. Interessant, findest du nicht?«
Meine Augen wurden schmal. »Du bist ja auf einmal so gesprächig.«
»Das stimmt.« Er spielte mit dem Ring an seinem Daumen. »Es ist lange her, dass ich sagen konnte, was mir in den Sinn kam, ohne jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen, ohne zu überlegen, was meine Worte für Konsequenzen haben, ob sie meinen Gegnern einen Vorteil verschaffen könnten. Ich
finde es« – er warf mir einen Blick unter halb gesenkten Wimpern zu – »erfrischend.«
»Eher einsam, würde ich sagen«, bemerkte ich ungnädig.
Er blickte auf seine Füße und schwieg.
Ich rutschte unbehaglich auf meinem Sitz hin und her und schaute aus dem Fenster. Wieso sollte er mir leidtun? Das war sein Problem, nicht meines. Vor uns tauchte nun das Londoner Riesenrad auf und warf seine funkelnden Lichter auf die majestätische Themse. Wir waren fast da. Der Samstagabendverkehr war so dicht, dass ich zu Fuß wahrscheinlich schneller vorangekommen wäre, aber das kam nicht infrage.
»Du hast Recht, Genevieve.« Maliks Stimme strich wie kühle Seide über meine Haut. »Ich bin einsam.« Elegante Finger umschlossen mein Handgelenk. »Länger, als ich zurückdenken mag. Das will ich gar nicht bestreiten, selbst wenn es mir noch so wenig gefällt.«
Sein Gesicht war im Schein der Straßenlampen mal deutlich zu sehen, dann wieder in Schatten getaucht. Mir fiel ein, was mir die Cocktailkellnerin über Melissa gesagt hatte. Meine Augen wurden schmal. »Hast du deshalb was mit Melissa angefangen? Weil du einsam bist?«
Er ging nicht auf meine Frage ein. »Ich mache mir nichts vor«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher