Suesser Als Blut
halber, jetzt: Meine Stange traf ihn in die Brust, glitt an seinen Rippen ab und bohrte sich in seine Seite. Ich nutzte meinen Schwung aus und rammte ihn mit der Schulter wie ein Footballspieler. Er flog erneut auf den Rücken, und die Stange bohrte sich tief in die Erde.
Ich hatte ihn aufgespießt wie ein Insektensammler einen Schmetterling, bloß dass es in meinem Fall eine Kakerlake war.
»Scheiß Elfe!«, schimpfte er und wand sich vergebens, versuchte freizukommen.
Mir blieb nicht viel Zeit. Schon wieder verschwamm alles vor meinen Augen, aber diesmal waren es Tränen der Verzweiflung. Wütend wischte ich sie weg. Frei , dachte ich, ja, auch ich musste versuchen freizukommen. Ich musste den Schockzauber, der am Zaun haftete, knacken . Ich taumelte aufs Tor zu. Dabei stolperte ich schon wieder über etwas. Diesmal war es der Koboldknüppel. Ich schüttelte meinen Arm, um wieder etwas Leben in ihn zu bringen, dann bückte ich mich und hob den Knüppel auf. Ein höchst willkommener Fund.
Da hörte ich hinter mir eine Art Schlurfen. Entsetzt fuhr ich herum.
Fettsack kam über die Wiese auf mich zugewatschelt. Sein Mund stand offen, und der Speichel lief ihm übers Kinn. Die Augen hinter seiner Nickelbrille waren blutunterlaufen. Ich kam mir vor wie in einem dieser Zombiefilme, in denen das Monster nicht aufhört, dich zu verfolgen, egal, wie oft du es aufschlitzt oder zerhackst. Einfach lachhaft. Aber wenn ich jetzt angefangen hätte zu lachen, dann hätte ich nicht mehr aufhören können.
Ich blieb stehen und hob zitternd den Knüppel.
Aber der Dicke kam ebenfalls zum Stehen, so plötzlich, als hätte diesmal jemand an seinem Faden gezogen. Sein Kopf klappte zur Seite, und ein grässliches, feuchtes Geräusch ertönte, als würde man einem Truthahn das Bein abdrehen. Fettsacks Körper fiel leblos zu Boden.
Malik stand mit rotglühenden Augen über ihm wie ein finsterer Racheengel, in der Faust den tropfenden Schädel des Dicken, dem die Nickelbrille vom Ohr herunterhing. Doch plötzlich schlug der Kopf die Augen auf, blinzelte ein paarmal und suchte den Boden nach seinem Körper ab.
Ich beschloss, meine Keule lieber noch nicht fallen zu lassen.
»Wo ist der andere?«, fragte Malik mit rostiger Stimme, als seien dies die ersten Worte, die er seit langer Zeit sprach.
Ich wies mit dem Kopf hinter mich, doch schon diese Bewegung genügte, dass mir schwarz vor Augen wurde. Noch nicht. Noch nicht.
»Tot?«, fragte er.
»Nein.« Meine Stimme klang genauso rostig wie seine.
»Überlass ihn mir.« Er wandte sich in die Richtung, in der ich den Fluss wusste, holte aus und schleuderte Fettsacks Kopf in hohem Bogen über die Bäume und die Straße. Der Kopf verschwand in der Dunkelheit. Sekundenlang blieb es still, dann hörten wir ein fernes Platschen.
Der Knüppel rutschte mir aus der Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf der Erde.
Malik wich wankend einen Schritt zurück. Was war los mit ihm? Ich brauchte nicht lange zu rätseln, denn jetzt fiel der Schein einer Straßenlampe auf ihn.
Sein Kopf.
Ich blinzelte, fassungslos.
Eine Hälfte seines Kopfs war … eingedellt.
Jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen.
Das war zu viel. Ich wurde ohnmächtig.
31. K apitel
I rgendwo regnete es. Das Getrommel störte meinen Schlaf. Ich rieb die Wange an meiner weichen Decke, die so schön nach Geißblatt roch. Deshalb wusste ich auch, dass ich zu Hause Geißblatt roch. Deshalb wusste ich auch, dass ich zu Hause war. Ich wollte den Arm heben, um mir die Decke über den Kopf zu ziehen, aber ein scharfer Schmerz, der von meiner Schulter durch meinen Arm zuckte, hielt mich davon ab.
Plötzlich fiel mir alles wieder ein, und ich biss die Zähne zusammen, um den Schrei zu unterdrücken, der mir beinahe entschlüpft wäre. Ich öffnete meine Augen einen Spalt breit und spähte über meine bronzefarbene Decke hinweg.
Keine Spur von Malik.
Langsam und unter großen Schmerzen drehte ich mich auf den Rücken und starrte zu den Dachbalken hinauf, von denen wie ein rotgoldener Wasserfall mein Klangspiel hing.
Es hörte abrupt auf zu regnen. Ich setzte mich vorsichtig auf. Mir wurde speiübel, und ich begann zu würgen. Ich schaffte es gerade noch, mich über die Matratzenkante zu beugen. Auf einmal spürte ich kühle Hände, die mir die Stirn hielten und meinen Nacken massierten. Die Kopfschmerzen ließen ein wenig nach. Ich musste noch einmal würgen, doch es gelang mir, mich nicht zu übergeben. Flach
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