Suesser Als Blut
trocken, sein Puls schneller als normal, aber seine durcheinanderpurzelnden Gedanken überzeugten mich davon, dass er nicht mehr unter dem Bann des Vampirs stand. Was immer der Vampir mit ihm gemacht haben mochte, es war keine Spur mehr davon in seinen Gedanken zu finden.
Ich lächelte ihm erleichtert zu und drückte kurz seine Hand. »Kommen Sie, gehen wir rein, dann können Sie mir alles erklären.«
Alan klammerte sich an meine Hand wie an eine Rettungsleine. »Sie werden mir doch helfen, nicht wahr?«
Ich löste mich behutsam aus seinem Klammergriff und tätschelte ihm beruhigend den Arm. »Ja, soweit es in meiner Macht steht.« Ich verspürte plötzlich ein eigenartiges Bedürfnis, ihn in die Arme zu nehmen und zu trösten.
Er trat einen Schritt näher. »Bobby ist mein Sohn«, stieß er verzweifelt hervor. »Er ist alles, was ich noch habe. Ich wüsste nicht, was …«
»Scht.« Mein Herz zog sich vor Mitleid zusammen, und ich
legte zärtlich meine Hand an seine Wange. Goldenes Licht strömte zwischen meinen Fingern hervor, darin blitzten orangerote Funken. Es duftete plötzlich nach Geißblatt.
In Alans Pupillen keimten goldene Fünkchen auf. Seine Miene glättete sich, und ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. »So schön …«, murmelte er, »… so golden … wie die Sonne …« Er fuhr mit seinen Händen in mein Haar und beugte sich mit halb geöffneten Lippen vor.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, streckte mich seinem Kuss entgegen.
So ist’s gut, der braucht Trost.
Ich zuckte zurück.
Shit . Was machte ich da, zum Teufel?
Ich riss mich los, zog meine Magie in mich zurück und stolperte ein paar Schritte von ihm weg. Hastig kramte ich in meiner Tasche und tauchte mit einer Handvoll Lakritzspiralen wieder auf, die ich mir sofort in den Mund stopfte. Ich kaute wie verrückt, damit sich der Zucker möglichst schnell in meinem Körper ausbreitete.
Hauselfenmagie wirkt da, wo sie gebraucht wird , hörte ich Agathas Stimme sagen.
Ich schluckte. Alans Bedürfnis nach Trost mochte die Magie geweckt haben, aber er war kein Kind mehr. Dass sich jetzt auch noch Hauselfenmagie mit meiner eigenen vermischt hatte, war – ich konnte es nicht anders bezeichnen: Kacke. Das Letzte, was Alan und ich gebrauchen konnten, war, dass er sich in meinem Glamour verfing. Finn und seine Blitzlösungen; jetzt musste ich sehen, wie ich mit den Nebenwirkungen klarkam.
Alan schwankte, runzelte die Stirn. »Tut mir leid. Was hab ich gerade gesagt?«
Ich stieß erleichtert einen Seufzer aus. »Sie wollten mir erklären, warum wir Melissas Leiche nun doch nicht sehen sollen.«
»Ach ja. Die Souler haben eine einstweilige Verfügung erwirkt, die eine Untersuchung der Leiche verbietet – sogar dem
Pathologen.« Alan hielt mir, einen besorgten Ausdruck auf dem Gesicht, die Tür auf. »Sie wollen eine vorsorgliche Pfählung durchsetzen unter der Prämisse, dass Melissa als Minderjährige der Verabreichung der Gabe nicht zugestimmt haben kann. Mein Anwalt versucht einen befreundeten Richter zu erreichen, um zu sehen, was dagegen getan werden kann.« Er klopfte auf seine Jacketttasche. »Ich erwarte seinen Anruf.«
Die Souler – auch Seelenschützer genannt – sind eine fanatische religiöse Sekte, deren Ursprünge angeblich bis in Cromwells Zeiten zurückreichen. Sie sind der Meinung, dass Menschen, die Vampire werden, ihre Seele dem Teufel verkaufen. Melissa aber war bereits tot, und selbst wenn man die vierzehntägige Wartefrist in Betracht zog, war es mehr als zweifelhaft, dass das Mädchen noch einmal »erwachen« würde. Von Melissas Sicht aus machte es also so oder so kaum einen Unterschied – außer dass die Leiche nach der vorsorglichen Pfählung sogleich verbrannt werden würde.
Wenn die Souler ihren Willen bekämen, hätte ich keine Chance, mir Melissa anzusehen.
Purer Zufall oder steckte mehr dahinter?
Sorgfältig darauf achtend, Alan nicht noch einmal zu berühren, schob ich mich an ihm vorbei ins Gebäude. »Melissa hat doch für die Vampire gearbeitet. Muss man da nicht so was wie eine Todesfall-Vorsorgeerklärung unterzeichnen?«
»Ja, das stimmt.« Alan fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare und sah dann aus, als hätte er in eine Steckdose gegriffen. »Aber Fran, Melissas Mutter, will sie nicht gelten lassen, weil ihre Tochter noch minderjährig war. Sie kann manchmal ein bisschen exzentrisch sein, aber ich hätte nie gedacht, dass sie religiös ist. Ich habe
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