Suesser Als Blut
»Stella weiß das mit Alan Hinkley. Sie weiß, wer sein Sohn ist. Sie hat ihn – den Papa – selbst zu mir geschickt.« Okay, sie hatte nicht erwartet, dass ich den Job annehmen würde, und hatte bis jetzt immer noch nicht auf meine SMS-Flut reagiert – was ich Hugh tunlichst verschwieg -, aber, hey, manchmal muss man eben mit dem jonglieren, was man hat. Also knallte ich nun meine Trumpfkarte auf den Tisch: »Ich glaube, dass die beiden was laufen haben …« Ich verstummte, als sich erwartungsgemäß ein schockierter Ausdruck auf Hughs granitener Miene ausbreitete.
»Was meinst du damit?«
»Kann ich selbst nicht genau sagen.«
»Das spielt keine Rolle!« Er stach mit seinem steinernen
Wurstfinger in meine Richtung. »Auch wenn sie bereit sein sollte, ihre Stellung zu riskieren, sie ist eine Hexe unter vielen. Du hast viel mehr zu verlieren.«
»Wie du meinst.« Ich zuckte die Schultern. Kacke . Was regte er sich nur so auf? Ich stellte meinen Pappbecher behutsam auf dem Papieruntersetzer ab und schluckte meine wachsende Gereiztheit hinunter. »Hugh, alles, worum ich gebeten wurde, ist, mir die Leiche anzusehen und auf versteckte Magie hin zu überprüfen. Das dauert höchstens fünf Minuten. Ich wüsste wirklich nicht, was die Hexen dagegen einwenden sollten.«
»Ist das wirklich alles? Bist du sicher?«
»Klar! Hugh, ich weiß, du machst dir Sorgen.« Ich beugte mich vor, legte meine Hände auf die seinen. Seine Haut fühlte sich heiß und sandig an. »Aber ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen, und das ist doch nur ein Job.«
Er zog seine Hände zurück. »Du kannst es mir ruhig sagen, wenn mehr dahintersteckt, weißt du. Ich kann dich verstehen.«
Ich schaute ihn ratlos an. »Was sollte denn mehr dahinterstecken?«
Finster schob er mir ein Blatt hin, das er der Akte entnommen hatte.
Ich schaute es an, musste ein paarmal blinzeln. Es war eine Art Formular, es war von einer Blutvisite die Rede. Ich überflog es, sah den Namen Roberto Oktober auf der gepunkteten Linie hinter Vampir stehen.
Mein Kopf zuckte hoch, ich schaute Hugh an. »Was soll das?«
»Die neuen Vampirgesetze. Sie haben jetzt das Recht auf Lebendblut, wenn sie in Haft sitzen.« Er funkelte mich zornig an. »Natürlich müssen sie sich ihre willigen Blutspender selbst suchen, daher bestehen wir auf einer Haftungsverzichtserklärung.«
»Das hab ich schon kapiert, Hugh, aber was mich interessiert, ist, was mein Name auf dem Formular zu suchen hat!«
»Warum erzählst du’s mir nicht, Genny?« Er schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Erkläre mir bitte, wieso ein mordverdächtiger Vampir dich ganz oben auf seine Speisekarte gesetzt hat?«
Aber bevor ich mir eine Antwort überlegen konnte, ging die Tür auf und Constable Wischmopp kam herein. Sie strahlte Hugh an, bedachte mich mit einem Blick, als hätte sie eine besonders warzige Kröte vor sich, und kam dann zu uns.
Hugh strahlte sie ebenfalls an. Es war, als würde die Sonne auf seinem Gesicht aufgehen und all seinen Ärger wegschmelzen.
Shit . Wieso sollte ein Vampir, den ich überhaupt nicht kannte, glauben, ich würde ihm eine Gratismahlzeit spendieren? Das musste ein Irrtum sein. Mit zusammengebissenen Zähnen schaute ich mir das Formular genauer an, überflog die einzelnen Klauseln.
»Soll ich Ms Taylor jetzt runter in den Zellentrakt bringen, Sergeant?« Constable Wischmopp war an Hughs Schreibtisch stehen geblieben und lehnte sich mit ihrer gut gepolsterten Hüfte dagegen. Mir kehrte sie ostentativ den Rücken zu.
»Was?« Er klang so belämmert, dass ich unwillkürlich aufblickte.
Sie plusterte ihren Wischmopp auf, und dabei sah ich etwas Rosarotes an ihrem Handgelenk aufblitzen. »Hat sie schon unterschrieben, Sir? Der Blutsauger wird allmählich unruhig. Muss einen Mordshunger haben.« Sie bedachte mich mit einem verächtlichen Blick.
War das der Grund, warum sie so unfreundlich zu mir war?
Hugh riss seinen Blick langsam von der molligen Polizeibeamtin los und richtete ihn auf mich. »Bitte lassen Sie uns noch einen Augenblick Zeit, Constable.«
»Aber gern, Sergeant«, sagte sie und tätschelte im Weggehen seinen nackten Unterarm. »Ich hole mir derweil einen Becher Wasser. Rufen Sie mich, wenn Sie so weit sind.«
Hugh verdrehte sich auf seinem Stuhl und schaute ihr nach, wie sie hüftwackelnd in Richtung Wasserspender entschwand.
Da kam mir plötzlich ein Gedanke, und ich konsultierte rasch das Formular. Ja, da stand es, das war
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