Süßer die Glocken (German Edition)
Mailin. Ein Name wie der Kuss einer Lotusblüte. Ein Name, den er nicht kennen, nicht … fühlen sollte.
Die Linien ihres Gesichts waren zart, die dunklen Augen etwas schräg gestellt, schmal und geheimnisvoll, die zierliche Nase flach und beinahe filigran, als würde er eine wertvolle Porzellanskulptur aus dem alten China bewundern. Mit ihrem ganzen Wesen schien sie die Personifizierung der Unschuld zu verkörpern, wäre da nicht die Pistole, die auf seine Stirn zielte.
»Das hier ist nicht unser Kampf, Jay.« Sie kam immer näher. Und näher. So nah, dass der Duft ihrer Haut seine Sinne umflüsterte,und ihm nichts zurückließ, außer seiner bloßen Hülle, der die Gefühle entschwunden waren. »Runter mit der Waffe. Das haben wir doch nicht nötig.«
Ihre langen Finger strichen über den Lauf seines Gewehrs auf und ab, auf und ab.
Game over.
Er spürte, wie sie die Waffe seinen tauben Händen entnahm, ein paar Schritte zurücktrat und diese auf die Geschenkpäckchen legte. »Vadim?« Der Junge erhob sich. Sie reichte ihm die Pistole. »Halte das bitte einen Moment.«
Mit zwei Fingern zupfte sie ein rotes Deko-Band von den Zweigen des Weihnachtsbaumes.
Was geschah hier? Was geschah mit seiner ganzen Welt? Er starrte in den schwarzen Lauf, der ihn in Schach hielt, während am Rande seiner Wahrnehmung das Klacken der Stilettos nahte. »Vadim, wie kannst du nur? Sie haben deine Familie als Geisel genommen, ich habe gesehen, wie dein Vater erschossen wurde …«
»Jay, Jay, Jay.« Tadelnd schüttelte der Junge den Kopf. »Langsam frage ich mich, ob deine Neuronen falsch gewichtet sind. Das hatten wir doch schon alles.«
Seine Arme wurden nach hinten gedreht und ein kratziger, steifer Stoff legte sich um seine Handgelenke. »Sei nicht so streng mit ihm«, hauchte Mailin und schob ihn durch den Raum auf den Weihnachtsbaum zu. »Er wird es schon begreifen.«
Er wehrte sich nicht. Er … wehrte sich nicht! »Meine Leute stürmen die Villa. In wenigen Augenblicken werden sie hier sein.«
»Deine Leute spielen nicht mehr mit.« Sie nahm seinen Helm ab und strich ihm mit den Fingerspitzen das Haar hinter das Ohr. »Verschließ dich nicht der Wahrheit.«
Er spürte das Ziehen nicht nur in seinen Hoden, sondern in seinem ganzen Wesen. Es durchfuhr ihn wie ein Kitzeln und Schauern zugleich.
Falsch, alles falsch. Vor allem, den Kopf zu neigen und nach der Berührung ihrer Finger zu suchen.
Es war falsch, zu fühlen.
Denn dafür war er nicht gemacht worden.
»Du kannst mich töten, Bad Girl, aber entkommen wirst du nicht. Nicht dieses Mal.«
»Hoffentlich, dieses Mal. Endlich.« Ihre Wange lehnte sich an die seine und jedes Wort schien unter seiner Haut zu kribbeln, angefangen an dem Ohrläppchen, an dem ihre Lippen mit jeder Silbe leicht knabberten. »Endlich mit dir.«
Mit einem Mal bohrten sich ihre Finger in seine Schultern. Sie stieß ihn zurück. Er taumelte gegen einen Stuhl.
Reiß dich zusammen, Jay! Gib ihr nicht nach. Er war ausgebildet worden, in jeder erdenklichen Situation einen klaren Verstand zu behalten. Sich nicht mit einem Band vom Weihnachtsbaum fesseln lassen. Nicht von dem Duft einer Frau einen Steifen – und so seltsam weiche Knie – zu bekommen.
Sie zwang ihn sich hinzusetzen, schwang den Fuß zur Stuhlkante und drückte mit der Sohle gegen sein Geschlecht. Vadim kam heran und reichte ihr etwas. Eine Ski-Maske.
»Ich werde dir helfen, dich zu erinnern.« Sie beugte sich vor, was noch mehr Druck auf seinen Schwanz ausübte, und stülpte ihm die Maske über, mit der Rückseite nach vorne, was seine Sicht in eine schwarze Wolle hüllte. »Vadim? Lass uns allein.«
»Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Jay wagte es nicht, sich zu rühren. Er hörte, wie die Tür leise zuschnappte. Nun war er allein. Mit ihr. Und dem Chaos seiner Gefühle.
Sie nahm ihren Fuß weg. Sein Geschlecht war frei, schmerzte jedoch vor Verlangen, sie möge es weiter berühren. Hart, herrschend, ihn bis zur Besinnungslosigkeit reizend.
Nein! Unter welcher Droge er auch stand, er musste kämpfen. Für seine Mission, für die Menschen – er durfte nicht aufgeben. Das Band um seine Hände saß lose, bestimmt würde es ihm gelingen, sich zu befreien, nach seinem Gewehr zu greifen.
Ihre Hände glitten über seine Oberschenkel und die Waden hinunter. Sie nestelte an seinen Schuhen.
»Was machst du da?« Er wand die Hände in der Fessel. Doch die lockeren Schlaufen zogen sich bei jeder Bewegung um seine Gelenke,
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