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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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über Ehrenmorde gemacht«, sagte sie. »Weißt du, was ein Ehrenmord ist?«
    »So was im Mittleren Osten, wenn eine Frau ihren Mann betrügt, und ihre Familie muss ihre Ehre wiederherstellen?«
    Sie nickte. »Der Titel ist Der Felder letzte Blüte .« Sie hörte nicht auf zu nicken, und ich überlegte, ob sie immer so viel nickte, wenn sie ihre Baumel-Ohrringe trug. Bestimmt genoss sie es, wenn sie hin- und herschwangen. »Als es fertig war, hatte ich das dringende Bedürfnis, etwas zu tun. Ich suchte mir einen Acker und grub die Wörter mit der Hand in den Boden.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    »Wow«, sagte ich. »Das ist echt klasse. Wem gehörte das Land?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du weißt es nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf, nahm einen weiteren Schluck Tee.
    »Und wie hast du’s hingekriegt, dass die Buchstaben gleich aussahen?«, fragte ich.
    »Darauf hab ich nicht so geachtet«, sagte sie.
    »War es schwierig?«
    »Das Schwierigste war, im Kopf zu behalten, bei welchem Buchstaben ich grade war. Ich musste immer wieder zurückgehen und nachsehen.«
    Sie zuckte die Achseln, nahm einen Schluck. Ich wollte wissen, warum sie das gemacht hatte, was der Sinn dahinter war, doch ich wollte ihr nicht zu nahe treten. Es schien unglaublich, dass jemand so viel Zeit und Mühe in etwas so Sinnloses steckte. Es wäre besser gewesen, Geld zu spenden oder einen Blog darüber zu schreiben. Ich stellte mir vor, wie sie am Schluss vor dem Gedicht stand und nichts sah als einen Haufen Löcher. Als hätte eine Rotte Maulwürfe den Boden aufgegraben.
    »Hast du Fotos gemacht?«, fragte ich.
    »Ein paar, aber nur für mich.«
    »Echt cool. So was würd ich auch gern machen.«
    »Dann mach«, sagte sie. »Ich probiere alles einmal, und wenn es mir nicht gefällt oder ich keinen Spaß habe, denke ich, immerhin hast du eine Erfahrung gemacht. «
    »Denkst du das jetzt im Moment auch?«
    Sie lächelte. »Treffer.«
    Ich war noch nie jemandem wie ihr begegnet. Anstatt fernzusehen oder im Internet zu spielen, schrieb sie Gedichte über Themen wie Menschenrechte und wühlte in der Erde herum. Es machte mich neidisch, aber sie tat mir auch leid. Wenn sie an diesen Ort zurückkehrte, wären ihre Wörter nicht mehr lesbar; all die Mühe, und nichts war ihr geblieben Aber vielleicht war das ja der Sinn – das Leben war vorübergehend, flüchtig. Nichts machte Sinn – außer der Moment.
    ***
    Elise kehrte mit einer Plastiktüte zurück, und ich stand auf und sagte der Frau, es sei nett gewesen, mit ihr zu plaudern.
    »Fand ich auch«, sagte sie.
    »Ich hoffe, nächstes Jahr klappt es mit dem Campen.«
    »Danke«, sagte sie, und dann wünschte sie mir Glück. Ich mochte es nicht, wenn Leute mir Glück wünschten. Glaubten sie denn, ich hätte es nötig und wäre ohne verloren?
    Auf dem Weg durch den Coffee-Shop nach draußen sah ich meinen Vater. Er blieb vor einem Automaten stehen, starrte ihn einen Moment lang an, drückte ein paar Knöpfe. Dann setzte er sich vor den benachbarten Automaten.
    Ich überlegte, ob sich wohl einer neben ihn setzen würde, an den Automaten, von dem mein Vater wusste, er würde den großen Treffer landen, wenn er ihn bespielte. Wahrscheinlich wählte er immer den Automaten aus, der direkt neben dem stand, zu dem es ihn eigentlich hinzog. Wahrscheinlich sabotierte er sich so immer absichtlich selbst.
    Elise stolperte, fiel fast der Länge nach hin. Ich nahm ihr die Tasche aus der Hand und hakte mich bei ihr unter.
    »Wieso bist du so betrunken?«
    »Ich bin nicht betrunken. Ich muss nur was essen«, sagte sie. »Ich hab mir ein paar Pommes geholt.«
    Am Native-American-Laden mit dem Türkisschmuck und den Traumfängern lief ich langsamer, beobachtete das Mädchen hinter der Theke. Sie hatte langes seidiges Haar, aber ein breites Gesicht und eine platte Nase, und sie war dick.
    »Wart mal kurz«, sagte ich zu Elise und signalisierte ihr, sie solle sich auf eine Bank in der Nähe setzen. Ich betrat das Geschäft und lächelte dem Mädchen zu, das mit dem Oberkörper über der Theke hing, die Hände vor sich gefaltet. »Wie viel kosten die Traumfänger?«, fragte ich.
    »Ganz unterschiedlich«, sagte sie. »Ich glaube, sechzehn der günstigste.«
    »Den nehm ich«, sagte ich.
    »Das ist der da drüben«, sagte das Mädchen und zeigte auf einen in der Ecke.
    »Ich nehm ihn«, wiederholte ich.
    Er war perfekt, und ich hätte mich, auch ohne den Preis zu kennen, für genau diesen entschieden.
    Sie stieg auf einen Stuhl, um

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