Süßer König Jesus (German Edition)
und Trampolin hüpfte, oder war sie eine gedankenlose Säuferin, die mit fremden Männern abzog und weiß Gott was machte? War sie eine unterkühlte Zicke oder eine Person mit großem Herz und Mitgefühl für so gut wie alle unterdrückten Schäfchen Gottes?
»Wie heißt du noch mal?«, fragte ich.
»Jake«, sagte er.
»Jake«, sagte ich. »Der Name gefällt mir.«
»Seid ihr zwei schon lange hier?«, fragte der Fette.
Einer stellte einen Satz Gläser auf den Tisch. »Date Grapes für alle«, sagte er.
»Das ist nicht witzig«, sagte ich.
»War nicht als Anmache gemeint. Wir nehmen alle Date Grapes, nicht nur ihr beide. Als Nächstes kriegst du ’ne Geburtstagstorte, wenn du magst.«
»Mir auch ein Stück«, sagte Elise.
Wir hielten unsere Schnapsgläser hoch.
»Auf neue Freundschaften«, sagte der Typ, der sie bestellt hatte.
»Auf die Entrückung«, sagte Elise. Wir ließen die Gläser klingen und tranken. Ich trank die Hälfte, die andere stellte ich wieder hin. Ich spürte wieder, wie mein Blut in Wallung geriet. Zwar hörte ich kein Surren in meinen Ohren, aber wahrscheinlich käme das noch, sobald ich zur Toilette ging.
»Ich bin Brad«, sagte der Typ, der die Runde bestellt hatte.
»Jess.«
»Du bist eine schlechte Prosterin«, sagte er und fragte, ob er mir’s zeigen sollte. Er nahm mein Glas Cola light mit Whiskey und bedeutete mir, ich solle mein Schnapsglas heben. »Zuerst stellst du Blickkontakt her, kurz, aber intensiv.« Unsere Blicke begegneten sich, länger als kurz. Ich lächelte, doch er sah mich an, als ginge es um etwas sehr Ernstes. »Dann hebst du das Glas, stößt an und schaust der Person sofort wieder ins Auge. Und dann trinkst du. Bei Schnaps trinkst du ex – nicht halb.«
»Wenn ich will, kann ich auch nur halb trinken«, sagte ich.
»Kannst du«, sagte er, »aber so geht es nicht.«
Er ließ mich üben, bis er überzeugt war, dass ich es richtig machte. Dann zückte er seine Brieftasche und ging zur Bar zurück. Ich wünschte mir, mit einem Mann so gut befreundet zu sein, dass ich seine Brieftasche durchsuchen dürfte. Ich stellte mir alles mögliche Zeug darin vor, verblasst, unbenutzt, abgelaufen, einen Stoß warmgesessener Rechnungen. Alles meins, zum Mitnehmen.
Der Fette fing von Yalapa an, einem Ort, an dem er nach der Highschool gelebt und mit Krabbenfischen viel Geld verdient hatte. In seiner Freizeit surfte er. Eines Tages, sagte er, würde er dahin zurückkehren. Er würde auf einem Boot wohnen, und wenn ihm langweilig wäre, würde er davonsegeln und den Fisch direkt aus dem Ozean essen. Ich versuchte, Blickkontakt zu Elise zu bekommen, doch sie redete mit Jake, lachte und fuhr sich durch die Haare. Sie waren enorm lang geworden, wie die Haare der Amish. Wie die der Mennoniten. Der Fette erzählte mir von einem bestimmten Baum, unter dem er gekeimte Kokosnüsse gefunden hatte, und innen waren sie wie Marshmallow, man konnte sie mit dem Löffel essen. Nur manchmal waren sie schlecht.
»Wie hast du gemerkt, dass sie schlecht waren?«, fragte ich.
»Am Geruch.« Er schüttelte den Kopf. »Ein scheußlicher Geruch.«
Ich machte mir nichts aus ihm und seinen Träumen, und trotzdem stellte ich mir vor, ich und er befänden uns auf einem Boot und löffelten Marshmallows aus Kokosnüssen, ehe sie schlecht wurden.
»Jess hat heute schon unseren Pfarrer angerufen«, sagte Elise. Alle verstummten, sahen mich an.
»Und er hat sie nach ihren Masturbations-Methoden gefragt.«
»Wie bitte?«, sagten sie. »Moment, jetzt mal langsam.«
»Erzähl’s ihnen«, sagte sie.
Ich erzählte ihnen die Geschichte: der Anruf, das hässliche Kind, das Eis, das in seinem Glas klirrte. Während ich erzählte, fiel mir auf, wie selten ich einer Gruppe eine Geschichte erzählte. Das Gefühl, ich müsse um ihre Aufmerksamkeit kämpfen und könnte sie jede Minute verlieren, war mir nicht angenehm. Trotzdem war es eine gute Story, und sie saßen um den Tisch, die Ellbogen aufgestützt, und waren voll dabei. Als ich fertig war, führte ich mit ihnen dasselbe Gespräch, das ich mit Elise geführt hatte: Was würde ich jetzt tun? Dieses Gespräch darüber, was ich jetzt tun würde, behagte mir nicht. Möglicherweise würde ich es Shannon erzählen und meiner Mutter, und die könnte es, falls sie es für nötig hielt, meinem Vater weitererzählen. Aber es gab einen Grund dafür, dass ich lieber den Mund halten wollte – ich wollte nicht, dass irgendwer behauptete, ich log. Ich hatte die
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