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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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die Leute feierten den Start ins Wochenende. Wochenenden sagten uns nichts. Wir hatten keinen Grund, die Tage nachzuverfolgen, außer dem, um den sich unser Leben seit Monaten drehte.
    Mein Getränk wurde gebracht. Ich trank ein paar Schluck, dann goss ich Whiskey drauf. Ich wagte es nicht, aufzuschauen, den Raum danach abzutasten, ob irgendwer mich beobachtete. Sah uns jemand, hieße es möglicherweise, das sei nicht erlaubt, oder wir würden gleich hinausgeworfen werden. Ich redete mir ein, es sei egal – schlimmstenfalls also Rauswurf. Dann würden wir eben woanders hingehen, aber obwohl der schlimmste Fall nicht mal schlimm war, fürchtete ich ihn über alles. Ich ertrug es nicht, wenn man mir sagte, ich dürfe etwas nicht tun. Ich rückte meine Brüste zurecht.
    »Wie geht’s deinen Titten?«, fragte Elise.
    »Prima.«
    »Du siehst hübsch aus.«
    »Danke.«
    Wir tranken ein paar Minuten still vor uns hin, dann sagte sie: »Ich habe über etwas nachgedacht.«
    »Über was?«
    »Aschenputtels Pantoffel.«
    »Aschenputtels Pantoffel«, wiederholte ich.
    »Ja – wie kommt es, dass er sich, als es Mitternacht schlug, nicht in eine Ratte oder so was verwandelt hat?«
    »Wie kommst drauf?«, fragte ich.
    »Ich hab doch überlegt, meine Klamotten draußen liegen zu lassen, und da ist mir das eingefallen.« Sie zog ihre Zigaretten aus der Tasche und ihr Love Hurts- Feuerzeug und legte alles auf den Tisch, obwohl dort kein Aschenbecher stand und niemand rauchte. »Gute Frage, stimmt’s?«
    Ich überlegte, ob sie sich eine anstecken würde wie ein Filmstar. »Ich weiß nicht. Es ist schon lange her, dass ich Aschenputtel gesehen habe.«
    »Aber du kennst die Geschichte.«
    »Ja, die Geschichte kenn ich.«
    »Der Pantoffel bleibt auf der Treppe liegen und der Prinz nimmt ihn mit …«
    »Ich weiß, was passiert«, sagte ich. »Hast du die Jungs schon gesehen?«
    »Nein«, sagte sie. Sie nahm ihren Strohhalm aus dem Glas und saugte winzige Schlücke, als füttere sie ein verletztes Vögelchen.
    »Ich habe Bruder Jessie angerufen«, sagte ich.
    »Ja? Und was hat er gesagt?«
    »Er hat mich gebeten, ihm zu erzählen, wie ich mich selbst beschmutze.«
    »Er bat dich um was ?«
    »Er hat gesagt: ›Erzähl mir, wie du dich selbst beschmutzt.‹«
    »Quatsch«, sagte sie.
    »Nein, ernsthaft. Und ich hab seine Tochter im Hintergrund schreien hören. Rachel.«
    »Hör auf.«
    »Und das Eis hat in seinem Glas geklirrt.« Ich nahm meine Cola light und schob sie hin und her, aber es war zu viel Eis drin, das Glas war zu groß und zu dickwandig.
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Was heißt, was wirst du jetzt tun? «
    »Ich meine, was wirst du jetzt tun? «, sagte sie.
    »Nichts.«
    »Was redest du da? Vielleicht macht er das mit andern Kindern auch. Was, wenn er noch viel Schlimmeres getan hat?«
    Was gehen mich andere Kinder an?, dachte ich, doch dann fühlte ich mich schlecht. Ich sorgte mich um die anderen Kinder. »Ich glaube nicht, dass er irgendwas gemacht hat«, sagte ich. Das eine und einzige Mal, dass er mich berührt hatte, war in der Kirche. Ich war krank gewesen und hatte ihn einige Wochen nicht gesehen, und er zog mich an sich, drückte meinen Kopf an seine Brust. Die Umarmung hatte zu lange gedauert – jedem, der das beobachtet und dabei auf die Uhr geschaut hätte, wäre das unangemessen vorgekommen
    »Wir müssen es Dad sagen«, sagte sie.
    »Warum? Wir erzählen ihm sonst auch nie was.«
    »Aber das ist wichtig«, sagte sie und schaute zur Tür. Ich drehte mich um und sah die Jungs vom Pool auf uns zukommen. Die vier waren von der Sonne verbrannt und hatten sich schick gemacht.
    »Dürfen wir uns setzen?«, fragte der, der mich im Arm gehalten hatte.
    »Klar«, sagte ich. Seine Augen waren sumpfgrün und blutunterlaufen. Zwei von ihnen holten Stühle, und die andern beiden setzten sich, machten viel Lärm und nahmen so viel Raum wie möglich ein. Außerhalb des Wassers kamen sie mir völlig daneben vor.
    Der Fetteste, Lauteste legte seine Hand auf die Lehne meines Stuhls und lächelte mit seiner Unmenge von Zähnen. Der mich im Arm gehalten hatte – Jay oder Jason – zupfte eine Cocktailtomate aus Elises Salat und steckte sie sich in den Mund. Sie schob ihm den Salat über den Tisch und nahm ihren Flachmann heraus, goss noch mehr Whiskey in ihr Glas. Ich fragte mich, ob sie immer so reserviert war, oder ob sie sich nur um meinetwillen so benahm. Wer war sie wirklich? War sie die Person, die mit mir Fahrrad fuhr

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