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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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höchstwahrscheinlich auf dich stürzen wird, sowie du im Clare ankommst. Auf diesem Campus verbreitet sich Klatsch wie die Einzeller.
    Und schließlich geschieht es ja auch nicht jeden Tag, daß eine berühmte Professorin und Verfasserin geistreicher Romane und Erzählungen ins Wasser geht und sich ertränkt. Virginia Woolf hatte immerhin Schübe von Wahnsinn, oder was man so Wahnsinn nennt, ehe sie das tat. Unsere gute Patrice dagegen war zwar exzentrisch, aber geistig so fit wie ein alter Stiefel. Und wie sie all die Jahre am Clare ausgehalten hat, werde ich nie verstehen. Natürlich war sie auch eine 29

    wundervolle Lehrerin, das zieht niemand in Zweifel.«
    »Du weißt doch«, sagte Kate, »es steht so gut wie fest, daß sie Selbstmord beging. Ich bin eigentlich nur hier, um meine Neugier zu befriedigen – und die von Archer und Herbert.«
    »Und wer, bitte, sind diese Herrschaften?«
    »Kein Wort mehr, es sei denn, du willst umkehren und noch einmal durch den Callahan Tunnel fahren. Du mußt mir unbedingt von der Rektorin des guten alten Clare erzählen. Die treffe ich nämlich morgen, und ich habe so das Gefühl, sie wird mich umschmeicheln und versuchen, mich weichzuklopfen. Aber ich habe vor, ihr all meine Ecken und Kanten zu zeigen, und dazu brauche ich ein wenig Vorbereitung von dir. Wie ist sie?«
    »Laß es mich so ausdrücken: sie ist sehr jung, Anfang Dreißig, Juristin, smart, kennt all die richtigen Leute, und wenn sie mutig wäre und auf der richtigen Seite stünde, wäre sie ganz in Ordnung. Unglücklicherweise tut sie meiner Meinung nach beides nicht, aber du hast ja schon gemerkt, daß ich voreingenommen bin und meine Ansicht nicht viel wert ist. Sie hat sich weiß Gott kein Bein ausgerissen für mein Institut. Am Clare gibt es eine studentische Seelsorge, und die reicht ihrer Meinung nach völlig aus. Wozu dann noch das Institut? Warum immer die negativen Seiten betonen?«
    »O Gott!« stöhnte Kate.
    Die Rektorin des Clare hatte offenbar beschlossen, ganz auf kollegial zu tun.
    Sie kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und ließ sich mit Kate auf einer Sitzgruppe am Ende des Raums nieder. Dafür bekam sie von Kate gleich zu Beginn eine schlechte Note. Sie war die Rektorin des Colleges, sprach als Rektorin, und sollte gefälligst hinter ihrem verdammten Schreibtisch sitzen bleiben. Kate hatte einmal die Rektorin eines anderen Frauencolleges erlebt, die nach dem Lunch (das zu Kates großem Verdruß in der Cafeteria eingenommen wurde) anbot, allen Kaffee oder Tee zu holen. Kate begriff das als Versuch, nicht den Boß herauszukehren, aber sie sah nicht ein, warum Frauen nicht auch die Privilegien ihres Jobs genießen sollten. Es gäbe doch bestimmt, so hatte Kate später argumentiert, noch einen anderen Weg als den Akt, die Tassen selbst auf dem Tablett zu balancieren oder seine Sekretärin damit zu beauftragen. Nein, so war ihr erklärt worden, den gäbe es nicht. »Ich hasse es, wenn Leute mich wie ihren Kumpel behandeln, wenn ich es nicht bin«, hatte Kate geantwortet. Das Problem mit mir ist, gemahnte sie sich jetzt, während sie mit der Rektorin Knie an Knie saß, daß ich gereizt und überempfindlich bin und nicht hier sein will. Ich wette, sie raucht nicht und es stört sie, wenn ich es tue. Aber sie traut sich nicht, das zu zeigen.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?« fragte Kate.
    »Überhaupt nicht«, sagte die Rektorin und erhob sich, um nach einem Aschenbecher zu suchen; ein äußerst ausgedehntes Unternehmen, das deutlich 30

    machte, wie die Antwort auf Kates Frage eigentlich lautete. Woran Kate erkannte –
    und diese Information brauchte sie noch dringender als eine Zigarette –, daß die Rektorin sie brauchte. Sie ist verunsichert, dachte Kate und begann sich zu amüsieren.
    »Zwei Punkte stehen auf unserer Tagesordnung«, sagte die Rektorin, während sie sich weit in ihrem Stuhl zurücklehnte und sich offenbar große Mühe gab, den Rauch nicht von sich fortzuwedeln. Kate, von Mitleid überkommen, drückte ihre Zigarette aus: ihr Bedürfnis nach Nikotin war zwar groß, aber sie wollte die Rektorin beobachten, nicht quälen. »Erstens das Forschungsprojekt, an dem mitzuwirken Sie sich so freundlich bereit erklärt haben. Zweitens der Tod von Patrice Umphelby. Wir sollten vielleicht in umgekehrter Reihenfolge vorgehen.«
    »Darf ich eine Frage über das Forschungsprojekt stellen?«
    »Gewiß.«
    »Spielen Sie mit dem Gedanken, eventuell feministische Studiengänge an Ihrem College

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