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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Oder, wie ein Literaturtheoretiker, den Kate sehr bewunderte, geschrieben hatte: »Im Falle von Ödipus, wie in vielen anderen Geschichten, von denen der Kriminalroman nur das banalste Beispiel ist, konzentriert sich die Handlung darauf, ein entscheidendes Ereignis ans Licht zu bringen – das heißt eine Wahrheit, die den Sinn des Ganzen konstituiert.« Wer tötete Laios? Welche Erinnerung liegt hinter der Deckerinnerung verborgen? Warum hätte Patrice, die bereit war, den Tod willkommen zu heißen, sich ihm viel zu früh in die Arme werfen sollen?
    Kate ging den langen Weg vom See zum Haus hoch, an dem immer noch abgedeckten Swimmingpool vorbei und um das Haus herum zum Vordereingang, um von dort, wie es sich für einen Gast gehörte, das Haus zu betreten. Aber Geddes hatte sie gesehen und winkte ihr von der den Rasen und See überblickenden Veranda des Hintereingangs zu.
    »Mein Gott, Sie kommen ja zu Fuß«, sagte er. »Einen Moment war ich ganz verwirrt und dachte, es sei Patrice, die den Pfad hochkommt. Sie nahm immer diesen Weg, machte eine Weile auf dem Steg halt und sah über den See. Ein wunderschöner Blick, nicht wahr? Sie sind ihr sehr ähnlich – nicht äußerlich, aber die Art, wie Sie gehen und mit den Händen in den Taschen dastehen. Kommen Sie herein. Ich hoffe«, fügte er hinzu, während er Kate ins Wohnzimmer geleitete, »der Vergleich hat Sie nicht beleidigt. Sie sind natürlich schön und elegant gekleidet; Patrice war beides nicht. Man kann nie wissen, wie Frauen reagieren.«
    »Ich bin nicht beleidigt«, sagte Kate. »Ganz im Gegenteil. Ich bin Patrice nur einmal begegnet, und ich fand sie schön. Kann ich mir die Hände waschen?«
    »Verzeihung, natürlich. Hier unter der Treppe ist eine kleine Toilette, im ersten Stock eine größere.«
    »Die kleine tut’s völlig«, sagte Kate. Und sie lächelte, als sie die Tür des kleinen Klos hinter sich schloß, das offenbar im nachhinein eingebaut worden war.
    Es gab Zeiten, wo man außer Hörweite sein wollte, wenn man die Toilette benutzte. T. S. Eliot rasierte sich nicht einmal in Gegenwart seiner Frau, aber die war schließlich verrückt gewesen, ob wegen ihm oder trotz ihm, blieb immer unklar. Kate neigte zu der Ansicht, wegen ihm. Sie kämmte ihr vom Wind zerzaustes Haar und steckte ihren Knoten neu. Worüber soll ich bloß mit ihnen reden, fragte sie sich, während sie mit den Haarnadeln hantierte. Aber das fragte sie sich ja immer; und dennoch war ihr selten der Gesprächsstoff ausgegangen. Ich bin die geborene Plauderin, sagte sie zu sich selbst und knipste das Licht aus.
    Geddes’ Frau hatte sich zu ihm ins Wohnzimmer gesellt. Nachdem sie einander vorgestellt waren, setzte sich Kate und verweigerte den Sherry. »Hätten Sie zufällig Lust auf Laphroaig?« fragte Geddes. »Patrice hat mich damit bekannt gemacht. Möchten Sie ein Glas probieren? Es ist wirklich ein bemerkenswertes 89

    Getränk.«
    »Ich kenne es«, sagte Kate, »und hätte große Lust darauf. Ohne Eis, nur mit ein wenig Wasser. Standen Sie Patrice sehr nahe?«
    »Ich möchte es gern so sehen«, sagte Ted. »Wie ich Ihnen auf der Cocktailparty erzählte, interessierten wir uns beide für Lebenszyklen und diskutierten ständig darüber. Es war eines jener unerschöpflichen Themen, wie es sie oft zwischen alten Bekannten gibt. Sie verstehen schon, gleich worüber man zwischendrin spricht, immer wieder kommt man darauf zurück.«
    »Und waren Sie gleicher Meinung?« fragte Kate.
    »Mehr oder weniger, ja. Wie wohl die meisten Menschen hielt ich zwar die Jugend für die beste Zeit, aber in den wichtigen Dingen stimmten wir überein.«
    »Nun«, sagte Gladys Geddes, während sie an ihrem Sherry nippte (sie trinke nie harte Sachen, hatte sie erklärt), »ich finde, Ted war gegenüber diesem Anti-Jugend-Ding von Patrice immer viel zu tolerant. Natürlich ist jung sein der Himmel – hat das nicht irgendein Dichter gesagt?«
    Da Gladys schwieg und offenbar eine Antwort erwartete, sagte Kate: »Ja, aber wenn man jung ist, empfindet man es selten so, erst im nachhinein wird die Jugend verklärt, durch unsere alte Freundin, die Nostalgie. Als Byron an der Revolution aktiv teilnahm, war er schon vierunddreißig, wähnte sich an der Schwelle zur Senilität, und sein Haar wurde bereits grau. Aber im Gegensatz zu Wordsworth lebte er nicht lang genug, um ein richtig alter Mann zu werden und jene Zeit zu verherrlichen.«
    Gladys sah sie verwirrt an. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen«,

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