Süßer Tod
»er kommt mir auch traurig vor.«
»Wegen seines Gesichts?«
»Weil es so entstellt ist, ja, aber ich spüre noch mehr dahinter, eine tief wurzelnde Qual.«
»Er ist ein Schreibtischhengst, noch dazu einer ohne Rückgrat. Sein Dad war Detective, ein harter Knochen, der sich mutterseelenallein in einer üblen Gegend in eine dunkle Gasse gewagt hat, um einen Streit zu schlichten.«
»Vielleicht war Pat senior weniger tapfer als unvorsichtig«, wandte sie ein. »Warum hat er nicht auf Verstärkung gewartet? Wird nicht standardmäßig so vorgegangen?«
»Es war eine Fehleinschätzung, die ihn das Leben kostete. Jedenfalls ist Pat seniors Heldenruhm eine schwere Hinterlassenschaft, der der Junior kaum gerecht werden kann. Vor allem …«
Er brach ab, ohne den Satz fertig zu sprechen. Britt sah ihn an. »Was ist?«
Er schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Mir kam eben ein Gedanke, aber jetzt ist er mir entfallen. Vielleicht kommt er irgendwann zurück.«
Während ihrer Unterhaltung hatte er den Wagen durch den Verkehr navigiert, immer wieder die Spur gewechselt und war ohne Vorankündigung abgebogen, ständig ein Auge im Rückspiegel, damit ihm niemand entging, der ihm eventuell folgte. Sie bewegten sich grob in Richtung ihres Motels, aber über zahllose Umwege.
»Raley, wie wäre es, wenn ich Detective Clark anriefe und ihm alles erzähle? Ihm alles genau erkläre. Dass du mich gekidnappt hast und warum du es getan hast. Dass mich Unbekannte von der Straße abdrängen wollten.«
»Nichts davon kann bewiesen werden, vergiss das nicht.«
»Immerhin haben wir den Wagen auf dem Grund des Flusses. Sie könnten jedenfalls nicht beweisen, dass ich nicht von der Straße abgedrängt wurde.«
»Nein, aber ich sage dir, was Clark denken würde. Erstens, du wirst wegen Mordes gesucht. Zweitens, du verteidigst dich damit, dass man dir eine Vergewaltigungsdroge eingeflößt hätte. Drittens, du hast dein sicheres Nest verlassen, um dich der Verhaftung zu entziehen.«
»Aber das habe ich nicht.«
»Das ist egal. Ich sage dir nur, was Clark glauben würde.« Er verstummte und sah sie an. Sie bedeutete ihm weiterzureden. »Du behauptest auch, du seist von der Straße und in den Fluss abgedrängt worden, möglicherweise von den Männern, die auch Jay getötet haben. Aber dein Wagen ist bis auf die eingeschlagene Windschutzscheibe unversehrt, und die könntest du selbst eingeschlagen haben. Du hast dein Auto in den Fluss gefahren und dich rechtzeitig daraus gerettet. So würde Clark es sehen.«
»Du hast einen Punkt«, gestand sie ihm verzagt zu.
»Außerdem rechnen er und Javier wahrscheinlich damit, dass du früher oder später anrufst. Sie haben bestimmt alles vorbereitet, um dich zu orten.«
»Du hast bei deiner Ausbildung auf der Police Academy eine Menge gelernt.«
»Die Grundlagen. Jedenfalls genug, um zu vermuten, dass der wahre Hintergrund des Brandes und die Geschichte um Cleveland Jones niemals an die Öffentlichkeit kommt, wenn du dich stellst oder wenn man dich jetzt verhaftet.«
»Du hast bestimmt recht, aber …« Plötzlich setzte sie sich auf. »Aber was wäre, wenn wir es jetzt an die Öffentlichkeit bringen würden?«
»Wie? Wie meinst du das?«
Sie winkelte das Knie an und drehte sich ihm zu. »Im Sender arbeitet ein junger Mann. Ein Kameramann. Er ist gut. Wir kommen
gut miteinander klar. Er mag mich. Nicht so «, sagte sie, als sie seinen Blick auffing.
»Zehn zu eins, dass er dich genau so mag.«
»Er ist verheiratet.«
»Das heißt überhaupt nichts.«
»Jedenfalls könnten wir uns an einem geheimen Ort treffen und ein Video aufnehmen, das er in den Sender mitnimmt und in den Nachrichten bringt. Ist doch vorstellbar.«
»Was für ein Video?«
»Eines, in dem du deine Geschichte erzählst und ich meine.«
»Würden sie das ausstrahlen?«
»Nach meiner Pressekonferenz musste ich unbezahlten Urlaub nehmen. Der Geschäftsführer des Senders war wachsweich und versprach mir Hilfe und Unterstützung, aber in Wahrheit wollte er sich unter einem Haufen von leeren Versprechungen von mir distanzieren. Ich schätze, die Tage meiner Anstellung sind gezählt. Aber falls sich Channel Seven weigert, das Video auszustrahlen, würden sich alle Konkurrenzsender die Hände reiben.«
»Der Kameramann müsste Konsequenzen befürchten.«
»Kurzfristig vielleicht.«
»Er käme ins Gefängnis, Britt. Die Polizei würde alles versuchen, um aus ihm herauszubekommen, wo wir stecken, und wenn er die
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