Süßer Tod
sagen soll, Candy.«
»Sag Gute Nacht«, erklärte sie ihm grantig. »Ich habe morgen den ganzen Tag über ein Gespräch nach dem anderen und muss ins Bett. Ich komme nicht mal mehr zum Pinkeln, und inzwischen ist mein Körper so aufgeschwemmt, dass sogar meine Augen verquollen aussehen. Von meinen Knöcheln will ich gar nicht reden.«
Das Bild, das sie ihm zeichnete, brachte ihn zum Lächeln. »Ich stehe in deiner Schuld. Tief.«
»Rot und weiß.«
»Wie bitte?«
»Wenn du nächste Woche zum Essen kommst, erwarte ich mindestens zwei Flaschen Wein als Mitbringsel. Und keinen Billigfusel.«
»Schon kapiert.«
»Und Raley?«
»Ja?«
»Grill ihn ordentlich durch. Schließlich geht es um einen Großbrand.«
»Und wann?«, fragte Britt, nachdem Raley mit der frohen Botschaft zurückgekehrt war.
»Elf Uhr. Sein Büro.«
»Das hätte ich nicht gedacht. Natürlich habe ich gehofft, dass er mit dir spricht, aber ich hatte meine Zweifel.«
»Ich ehrlich gesagt auch. Vielleicht hat er mehr Mumm, als ich ihm zugetraut hätte.«
»In einem bewachten Regierungsgebäude kann jeder tapfer sein.« Sie betrachtete nachdenklich den dunkelroten Familienwagen vor dem Holiday Inn. »Oder wenn du jemanden hast, der deine Schlachten für dich kämpft.«
Sie wiederholte die Bemerkung im Geist und erkannte, dass das auch auf sie zutraf. Aus einem Impuls heraus öffnete sie die Beifahrertür und stieg aus, ehe sie es sich anders überlegen konnte.
»Was tust du da?«
»Bin gleich wieder da.«
»Britt?«
Ohne auf ihn zu hören, lief sie auf den viel befahrenen Boulevard zu und rief ihm über die Schulter zu: »Fahr los und ruf Detective Clark an, falls mir was passiert!«
»Britt!«
»Fahr!«
Ihr Timing hätte nicht besser sein können. Gerade als sie die Fahrbahn erreicht hatte, gab es eine Lücke im Verkehr. Sie sprintete über die ersten beiden Fahrspuren, den Mittelstreifen, dann die Fahrspuren in der anderen Fahrtrichtung und landete auf dem Bürgersteig vor dem Parkplatz des Holiday Inn.
Sie wagte nicht, sich zu Raley umzudrehen, aus Angst, er könnte ihr nachgerannt kommen. Stattdessen eilte sie zielstrebig über den Parkplatz und auf die beiden Zimmer zu, vor denen der vertraute Wagen parkte.
Sie war nicht hundertprozentig sicher, dass dieser Wagen sie von der Straße in den Fluss abgedrängt hatte. Andererseits sprach alles dafür. Außerdem wusste sie, dass mindestens einer dieser Männer im Wheelhouse gewesen war, als man sie unter Drogen gesetzt hatte. All das war kein eindeutiger Beweis, aber eindeutig verdächtig.
Mit Sicherheit wusste sie, dass die beiden gestern Raleys Hütte und seinen Pick-up durchsucht und ihn von Jays Beerdigung aus verfolgt hatten, was darauf schließen ließ, dass sie zwielichtige und möglicherweise tödliche Absichten hegten. Sie glaubte auch keine Sekunde lang, dass sie rein zufällig an diesem Abend in eine bekannte Schwulenbar eingekehrt waren. Ob sie nun Verbündete oder Feinde von Pat Wickham waren, ihre Absichten liefen ihren und Raleys zuwider.
Die Schweine hatten es nicht anders verdient.
Den Blick ängstlich auf Fenster und Türen der beiden Hotelzimmer gerichtet, näherte sie sich dem Wagen. Sie blickte in
alle Richtungen, um sicherzugehen, dass keine anderen Gäste in Sichtweite waren oder gerade aus dem Fenster sahen.
Als sie niemanden sah, ging sie hinter dem Wagen in die Hocke. In beiden Zimmern brannte noch Licht. Sie wagte es nicht, den Blick von den Fenstern abzuwenden. Jede Sekunde konnte eine Zimmertür aufgehen. Vielleicht konnten die Hotelgäste sogar ihr Herz klopfen hören.
Sie huschte in der Hocke ans linke Hinterrad, fuhr mit dem Finger über die Felge, bis sie das Ventil ertastet hatte, und drehte hastig die Verschlusskappe ab. Dann drückte sie den Stift im Ventil nieder, bis der Reifen leer war. Die Ventilkappe in der Hand watschelte sie in der Hocke weiter zum Vorderreifen.
Aus einem der Zimmer hörte sie Stimmen aus einem Fernseher. Hatte sich der Vorhang bewegt, oder war das nur Einbildung gewesen? Flatterte der Vorhang vielleicht über der Klimaanlage, die unter dem Fenster eingelassen war?
Ihre nervösen Finger ertasteten das Ventil des Vorderrades und drehten die nächste Kappe ab. Bis der Reifen endlich platt war und sie wieder zum Heck und von dort aus auf der anderen Wagenseite zum rechten Vorderreifen gewatschelt war, zitterten ihre Schenkel vor Anstrengung. Die nächste Ventilkappe fiel, die nächste Felge senkte sich auf den
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