Süßer Tod
entlarvt bin. Du musst verstehen, mit einem großen, angesehenen Helden verheiratet zu sein ist für Miranda die perfekte Tarnung. Auch Pat junior hätte fast der Schlag getroffen. Natürlich fürchtet er sich vor deiner Rache, aber fast noch mehr fürchtet er, alle könnten erfahren, dass er schwul ist.«
»George, was redest du da, verflucht noch mal?«
Aber inzwischen hatte sich der Mann hoffnungslos in dem alkoholgetränkten Labyrinth seiner Gedanken verirrt. Raleys Zwischenfrage half ihm nicht mehr heraus. »Eins will mir trotzdem nicht in den Kopf. Warum hast du heute Morgen Fordyce ausgeknipst? Er war nicht mal dabei, als wir Jones bearbeitet haben. Er war der wahre Held an diesem Tag, der einzige Held. Er hatte auch nichts mit Suzi Monroe zu tun. Er hat dich deswegen nicht einmal vor Gericht gestellt. Also, warum hast du ihn aus dem Weg geräumt? Nein, nein, du brauchst nicht zu antworten. Scheiß drauf. Es ist mir egal.«
Plötzlich hob er die Pistole an und drückte den Lauf unter sein Kinn. Instinktiv hechtete Raley über den Schreibtisch und fing Georges Handgelenk ab, gerade als der den Abzug durchdrückte. Die Kugel pfiff durch die Luft und bohrte ein Loch in die Holzvertäfelung.
Der Schreibtischstuhl kippte unter dem Gewicht zweier Männer hintenüber und krachte in die Trophäenvitrine. Glassplitter regneten auf sie nieder. Die Zeugnisse von Georges sportlichen Triumphen purzelten in Gestalt schwerer Pokale von den Regalfächern. Ein schwerer Silberteller knallte auf Raleys Kopf, aber er spürte ihn kaum. Er war ganz darauf konzentriert, die Pistole in die Hand zu bekommen.
George war viel schwerer als Raley, aber Raleys Koordination war nicht vom Bourbon gebremst. Er entwand George die Waffe, dafür konnte George einen Schwinger landen und die
fleischige Faust mit Wucht auf Raleys Auge setzen. In Raleys Schädel flammten neue Sonnen auf, aber er hielt die Pistole eisern umklammert.
»Lass mich! Scher dich zum Teufel!«, schluchzte der Mann. »Lass mich doch!«
»Du hast gesagt, ihr hättet Jones zu viert bearbeitet. Aber dann hast du gesagt, dass Fordyce nicht dabei war.«
»Gib mir die Pistole.« George lallte und reckte die Finger nach der Waffe, die Raley sicher außer Reichweite hielt.
»Wer war noch in dem Raum, George?«
»Bitte«, winselte er. »Ich will nicht mehr. Ich will nur noch sterben.«
Mit der freien Hand packte Raley ihn am Kragen und riss ihn hoch, bis Georges Gesicht nur Zentimeter von seinem entfernt war. »Wer war der vierte Mann, George?« Er rüttelte ihn so, dass der schwabbelige Kopf zu wackeln begann. »Wer?«
»Candy natürlich.«
Raley blieb die Luft weg. Er starrte in Georges gerötetes, verzerrtes Gesicht, doch die trübselige Miene wirkte überhaupt nicht mehr verschlagen, sondern nur noch elend. Er ließ ihn fallen, fast als hätte er sich am Stoff von Georges Hemd die Finger verbrannt. Als Georges Kopf am Boden auftraf, war das Splittern von Glas zu hören, aber er schien die Scherben, die sich in seine Kopfhaut bohrten, gar nicht zu spüren. Er wälzte sich auf die Seite, zog die Knie an die Brust und weinte wie ein Baby.
Candy. Natürlich.
Mit Georges Pistole fest in der Hand sprang Raley auf und wollte zur Tür stürmen. Stattdessen blieb er abrupt stehen und erstarrte.
Vor ihm standen, die Pistolen in der Hand und in schussbereiter Haltung, die beiden Männer, die er zuletzt gesehen hatte, als sie notdürftig bekleidet zu ihren Hotelzimmern zurückgerannt waren. Butch und Sundance. Beide hatten inzwischen Hosen an, ihre Gesichter wirkten grimmig und entschlossen.
»Lassen Sie die Waffe fallen, Gannon! Sofort!«
Raley dachte an Britt, die er in den Tod geschickt hatte, zu Candy, seiner angeblichen Freundin, dem einzigen Menschen, dem er sein Leben anvertraut hätte. Stattdessen hatte er ihr Britts Leben anvertraut. Er hatte Britt zu Candy geschickt, damit sie dort Schutz fand, dabei hätte Britt vor allem vor Candy geschützt werden müssen, wie er jetzt begriff. Es war zu spät, sie noch zu retten. Zu spät, sich selbst zu retten. Zu spät für alles. Er hatte absolut nichts zu verlieren, wenn er versuchte, sich seinen Weg freizuschießen.
Diese Gedanken zischten kometengleich durch Raleys Kopf, während sich sein Finger um den Abzug spannte.
Butch brüllte: »Fallen lassen! Nicht schießen! FBI!«
Der Mann, den Candy als Mr Smith vorgestellt hatte, hatte das Zimmer genauso leise betreten wie damals Jays Stadthaus und wirkte genauso
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