Süßer Tod
könnte.« Sie schrie unwillkürlich auf, als er die Hände auf ihre Schultern legte und sie umdrehte. »O Gott«, wimmerte sie. »Bitte tun Sie mir nichts.«
Er schob die Lippen an ihr Ohr und flüsterte: »Entspannen Sie sich, Ms Shelley. Ich wollte nur Ihre Hände kontrollieren und mich überzeugen, dass Sie nichts aus dem Bad mitgenommen haben.« Dann ließ er sie unversehens los.
Sie drehte sich um, atmete mehrmals tief durch und schluckte. Er konnte sehen, wie sich ihre Angst in Zorn verwandelte. »Sie haben mich absichtlich eingeschüchtert, damit ich glaube …«
»Was? Dass ich tatsächlich die Bestie bin, als die Sie mich dargestellt haben?«
»Was hätte ich denn mitnehmen sollen? Eine Rasierklinge?« Er antwortete nicht. Er hatte sie nicht hergebracht, um sich von ihr anmeckern zu lassen. »Wir verlieren nur Zeit. Setzen Sie sich wieder hin.«
»Wie lange soll das noch so gehen?«
»Bis ich alles von Ihnen bekommen habe, was ich brauche.«
»Alles, was Sie wozu brauchen? Wo soll das hinführen? Die Entführung, dieses Gestapoverhör? Was haben Sie denn vor?«
»Ich habe vor, Sie wieder auf Ihren Stuhl zu setzen.« Er nickte zum Wohnzimmer hin. »Und wenn Sie sich nicht freiwillig hinsetzen, habe ich vor, Sie an den Stuhl zu fesseln.«
Sie ging zum Stuhl zurück. Als sie wieder saß, ging er vor ihr in die Hocke und zog eine Rolle Klebeband aus der schwarzen Reisetasche. Sie versteckte die Füße unter dem Stuhl. »Bitte. Ich
verspreche, dass ich nicht aufstehe, wenn Sie es nicht erlauben. Bitte.«
Nach einem kurzen wortlosen Kräftemessen gab er nach und ließ sich auf seinem Stuhl nieder. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Hatten Sie Sex mit Jay?«
Sie studierte seinen Hemdknopf. »Ich weiß es nicht mehr, Ehrenwort. Meine Gynäkologin hat mich untersucht, aber sie konnte nur feststellen, dass … dass kein Gewebe verletzt worden war.«
Raley kaute innen auf seiner Wange herum, grübelte über ihre Antwort nach, fragte sich, ob er ihr glaubte, und rätselte insgeheim, wieso es ihn überhaupt interessierte, ob sie mit Jay geschlafen hatte.
»Sie haben sich zu ihm an den Tisch hinten in der Bar gesetzt. Wie hat er auf Sie gewirkt?«
Sie lachte leise, aber in ihrem Lachen lag ein Anflug von Trauer. »Wie Jay. Gut aussehend und gut gekleidet. Gut gelaunt. Zum Flirten aufgelegt.«
»Unser guter Jay.«
Sie sah ihn neugierig an. »War er schon immer so? Schon als Sie noch kleine Jungen waren?«
»Immer. Was haben Sie getrunken?«
Sie schien sich genauer nach ihrer Jugendfreundschaft erkundigen zu wollen, beantwortete aber stattdessen seine Frage. »Er hatte einen Wodka oder einen Gin. Jedenfalls etwas Klares auf Eis. Es war sein dritter oder vierter Drink. Und er bestellte noch einen, als ich meinen Wein bestellte.«
»Bei einer Kellnerin?«
»Sie kam an unseren Tisch.«
»Hat Ihnen dieselbe Kellnerin die Getränke gebracht oder jemand anderes?«
»Ich bin fast sicher, dass es dieselbe war. Ich meine mich zu entsinnen, dass ich ihr gedankt habe, als mein Wein kam, aber ich war so ins Gespräch vertieft, dass ich sie kaum wahrgenommen habe.«
»Was passierte, nachdem die Getränke gekommen waren?«
»Wir stießen an.«
»Glauben Sie, Jay könnte Ihnen etwas in den Wein getan haben?«
»Warum sollte er?«
»Glauben Sie es?«
»Nein.«
»Hätte er Gelegenheit dazu gehabt?«
»Nein. Wir …«
Plötzlich verstummte sie, und ihr Blick kehrte sich nach innen.
»Was ist?«
»Ich…« Sie sah ihn an und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Mir ist eben etwas eingefallen. Ich hatte eine Strickjacke dabei. Wie immer. Wegen der Klimaanlage.«
»Und?«
»In der Bar war es voll und warm, deshalb habe ich sie nicht gebraucht. Ich weiß noch, dass ich mich weggedreht und sie über die Rückenlehne meines Stuhles gehängt habe. Der Stuhl hatte eine gebogene Holzlehne, ähnlich wie der hier.« Sie nickte zu seinem Stuhl hin. »Dann rutschte die Jacke zu Boden. Ich habe mich gebückt, um sie aufzuheben.«
»Womit Sie Jay genug Zeit gegeben hätten, um etwas in Ihr Weinglas zu schütten?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Aber dazu hätte er unglaublich schnell und geschickt sein müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er etwas hineingetan hat. Und noch mal, wozu?«
»Stimmt. Schließlich wusste er, dass Sie auch so mit ihm ins Bett gehen würden.«
Sie starrte ihn unverhohlen feindselig an, ging aber nicht auf seine Beleidigung ein. Er entschuldigte
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