Suesses Gift Der Liebe
und exotische Tinkturen und Elixiere. Ganz zu schweigen von den Kräuterexperten.«
Seine Kinnmuskeln spielten. »Sie können sich vorstellen, dass ich bis jetzt nirgends einen Hinweis entdecken konnte, der mich zu Hulsey geführt hätte.«
»Warum sind Sie so sicher, dass Dr. Hulsey meinen Farn entwendete?«
»Möglich, dass ich mich an einen Strohhalm klammere, doch weist die ganze Affäre eine sehr schlüssige Logik auf. Wer Ihren Farn mitgehen ließ, muss sich seiner ungewöhnlichen psychischen Eigenschaften bewusst gewesen sei. Er muss auch über Fachwissen verfügen. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass im Moment in London viele Männer herumlaufen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Und der Zeitpunkt
passt. Es sind seit Hulseys Verschwinden etwas mehr als acht Wochen vergangen. Er hatte ausreichend Gelegenheit, seine Dienste einem anderen Gönner anzubieten.«
»Das könnte stimmen.«
Caleb zog seine Taschenuhr hervor und runzelte die Stirn, als er sah, wie spät es war. »Verdammt!«
»Was nun, Mr Jones?«
»Es gäbe noch viele Fragen, die ich Ihnen stellen möchte, Miss Bromley, doch die müssen bis morgen warten. Heute muss ich mich einer anderen sehr dringenden Sache widmen und einige Vorbereitungen treffen.« Er steckte die Uhr wieder ein. »Ist diese Sache abgeschlossen, kann ich mich voll und ganz auf Hulsey konzentrieren.«
Er wollte ohne ein höfliches Abschiedswort zur Tür.
Sie sprang besorgt auf. »Einen Moment, wenn ich bitten darf, Mr Jones.«
Er drehte sich mit der Hand auf dem Türknauf um und hob ungeduldig eine Braue. »Ja, Miss Bromley?«
»Wir müssen uns über einen wichtigen Punkt im Klaren sein, Sir«, sagte sie fest. »Ich engagiere Sie, um den Diebstahl meines Farns aufzuklären. Wenn Hulsey, Ihr verrückter Wissenschaftler, zufällig der Dieb sein sollte und das Gift mischte, das Lord Fairburn verabreicht wurde, schön und gut. Aber ich engagiere Sie gewiss nicht, damit Sie einen durchgeknallten Alchemisten fassen, der versucht, die Rezeptur zu vervollkommnen. Ihre Aufgabe ist es, mir das Gefängnis zu ersparen. Haben wir uns verstanden?«
Er sah sie an und zeigte zum ersten Mal ein Lächeln, das diesen Namen verdiente. »Sehr gut sogar, Miss Bromley.«
Er öffnete die Tür.
»Überdies bestehe ich darauf, dass Sie mir häufig und regelmäßig Berichte über Ihre Fortschritte erstatten«, rief sie ihm nach.
»Keine Angst, Miss Bromley, Sie hören wieder von mir. Sehr bald sogar.«
Er trat hinaus in die Diele.
Ihr Herz sank. Ich bin verloren .
Sie zweifelte nicht daran, dass für Caleb Jones die Interessen der Societ y stets an erster Stelle stehen würden. Jetzt konnte sie nur darum beten, ihr verzweifelter Versuch, einer Mordanklage zu entgehen, würde sich mit Calebs Plan, Hulsey zu fassen, kreuzen, da sie erst an zweiter Stelle stehen würde, falls er gezwungen war, sich zwischen zwei Zielen zu entscheiden.
6. KAPITEL
Der aus den Reihen der Kapuzenträger aufsteigende Dunst krankhafter Erregung war so schwer, dass er die düstere Atmosphäre im Inneren des uralten Gemäuers noch zu verdunkeln schien. Die von den Leuchten geworfenen wandernden Schatten erschienen Calebs angespannten Sinnen als lebende, atmende Wesenheiten, die in grausigen Rhythmen zuckten und pulsierten, sonderbare Raubtiere auf der Lauer, sich an dem verheißenen Blut zu laben.
Mit größter Willensanstrengung unterdrückte er seine lebhaften Phantasien. Leicht fiel es ihm nicht. Die Fähigkeit, gefährliche Muster und dunkle Verbindungen zu entdecken, wo andere nur Zufälle sahen, stellte seine Begabung dar. Sie war aber auch sein Fluch. Seine Fähigkeit, intuitive Gedankensprünge aufgrund vager Hinweise oder Spuren zu machen, war zwar sehr nützlich, hatte aber auch unglückliche Nebenwirkungen. Neuerdings fürchtete er, dass die blendenden, multidimensionalen Irrgärten, die er im Geist konstruierte, wenn er an einem Problem arbeitete, nicht nur Produkt seines starken Talents waren, sondern echte, von einem fiebrigen Gehirn hervorgerufene Halluzinationen.
Von seiner Position in der zweiten Reihe bot sich ihm freie Sicht auf den Altar und den gewölbten, von einem Vorhang verhüllten Eingang auf der gegenüberliegenden Seite. Ein
Junge von zwölf oder dreizehn lag ausgestreckt auf der Steinplatte. Handgelenke und Fesseln waren mit einem Seil gebunden. Er war wach, aber benommen, entweder vor Angst oder nach einer starken Dosis Opium. Wahrscheinlich Letzteres, dachte Caleb und sprach
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