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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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dem Gemüse. Dann lasst es sieden eine Stunde mit drei Maß Wasser. Gießt immer wieder neues Wasser nach, sodass es stets bei den drei Maß im Kessel bleibt. Währenddessen nehmt einen alten, gerupften Hahn aus und zerstoßt ihn ganz, mit Fleisch und Knochen in einem großen Mörser mit einem Eisenstößel. Macht dasselbe mit einem gleichgroßen Stück roten Fleisches, am besten Rind oder Lamm. Vermischt fleißig die zwei Fleischsorten, gebt sie mit frischer Butter in den Kessel. Jetzt muss das Ganze wieder heftig kochen eine Stunde lang. Passt genau auf, dass die drei Maß Wasser im Kessel bleiben. Dann lasst die Brühe durch ein Leintuch laufen, bis sie ganz klar ist. Sie kann kalt oder warm getrunken werden. Soll ich es wiederholen?«
    »Ich habe mir alles gemerkt. Der Herzog soll angeblich so wenig Zucker wie möglich zu sich nehmen. Kann ich ihn weglassen?«
    »Gewiss, gewiss, Fräulein Ursula. Gut, dass Ihr daran denkt. Die Ambra und die Fleischsäfte wirken Wunder auch ohne Zucker. Ihr könnt ihn ersetzen durch süße Früchte, wie die Araber es tun. Dem Herzog würde es wohl ebenfalls ausgezeichnet munden. Statt des alten Hahns dürft Ihr auch alte Rebhühner nehmen. Das soll noch besser sein, sagen wiederum die Venezianer. Ich muss jetzt aufbrechen, gnädiges Fräulein. Es ist spät, morgen kehre ich nach München zurück. Wenn Ihr mir glaubt, sagt dem Herzog nicht, die Ambra käme von mir. Euch allein muss er die Leidenschaft und sein Wohlbefinden verdanken. Wir verstehen uns, nicht wahr?«
    Die Mätresse nickte, schloss die brennenden Augen. Sie fühlte sich wie nach einem anstrengenden Traum. Als Ursula sie wieder öffnete, war Eck verschwunden, die Horndose aber immer noch in ihrer Hand.

8

    Einige Stunden später fand auch Anna Lucretia auf der Trausnitz keine Ruhe. Wie so oft schnarchte Sabina neben ihr im großen, von dicken Gardinen völlig umschlossenen Himmelbett. Und wie so oft schwitzte die junge Frau trotz der eisigen Luft und glaubte, unter den Fell- und Daunendecken zu ersticken. Wie so oft auch stand sie leise auf, schlüpfte in ihre Lammfellstiefel und hüllte sich in ihren mit Fuchspelz gefütterten Nachtmantel. Sabina war mit einem tiefen Schlaf gesegnet und noch nie aufgewacht. Anna Lucretia brauchte weder Kerze noch Öllampe, denn sie war daran gewöhnt, zum kleinen hinteren Fenster des Damenstocks zu gehen, ohne die unzähligen Bediensteten zu wecken. Von dieser Fensteröffnung aus sah sie hoch zum Wittelsbacherturm, dem höchsten Gebäude im inneren Burghof. Unter dessen steilem Dach wohnte Johann Albrecht. Stundenlang konnte sich Anna Lucretia in seine bis spät beleuchtete Arbeitsstube hineinträumen. Das wusste Widmannstetter. Sie hatte es ihm gesagt; er hatte sie deshalb nur halbherzig getadelt.
    In dieser Nacht, in der ihr Herz so schmerzlich pochte, sah sie nicht nur das Licht seiner Kerze. Sein Schatten bewegte sich unruhig hin und her vor dem Erkerfenster, blieb immer wieder davor stehen, als ob er sie in der Dunkelheit vergeblich suchte. Anna Lucretia überlegte nicht lang. Sie ergriff die erste Öllampe, die ihr unter die Finger kam, entzündete sie und bewegte sie vor dem eigenen Fenster stetig hin und her. Der Schatten im Turm machte es ihr nach, einmal, zweimal, dreimal. Sie hielt es nicht länger aus. Die Zeit der Träume war vorbei. Es musste einfach mehr geschehen als dieses verzweifelte, stumme Lichtschwenken. Sie wickelte sich das erste Kopftuch, das sie finden konnte, um Kopf und Haare. Wahrscheinlich gehörte es ihr nicht, aber das war ihr gleichgültig. Sie huschte blind zur Tür, die Öllampe unter ihrem schweren Mantel verborgen. Auf der Treppe zum Burghof traf sie auf niemanden. Es war Zufall, sie passte nicht auf. Bis zum Fuß des Wittelsbacherturms waren es nur wenige Schritte. Gott sei Dank bildete dieser die vordere Ecke der Burg. Nachdem sie pfeilschnell am Schlosspflegerhaus vorbeigerannt war, war sie vom Burghof aus nicht mehr zu sehen. Am Fuß des Turms angekommen, hielt sie ihre Öllampe hoch in die Luft und bewegte sie so wild hin und her, dass die Flamme erlosch. Erst jetzt geriet Anna Lucretia in Panik. Kälte und Dunkelheit überfielen sie wie hungrige Tiere. Es war so finster, dass sie nicht einmal das Gemäuer des Turmes ausmachen konnte. Nur ganz oben – unerreichbar, wie ihr schien – tanzte das Kerzenlicht in der Arbeitsstube Johann Albrechts. Dorthin durfte sie nicht, zurück wollte sie nicht, ihre Lampe war erloschen, der Geliebte hatte

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