Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
ausreden, du verfluchtes Weib! Es ist alles schwer genug.«
Steif stand die Kärglerin nun vor ihm.
»Ernsthafter, sagst du? Also, mein Lieber: Wann läuten die Glocken zur Hochzeit?«
»Hör auf mit diesem Hirngespinst, Theresa! Es ging mir doch nur um den Langhahn. Deshalb habe ich sie hierher gebracht.«
»Ja, das habe ich gesehen. Das arme Ding war halb tot vor Schreck, aber dann habt ihr doch eine Weile sehr herzlich miteinander geredet. Am Ende hat sie sogar von selbst deinen Arm berührt. Was hast du ihr eingeflüstert? Erzähl mir nicht, es hätte mit dem Langhahn zu tun!«
»Zur Hölle, und wie! Schon vor den Rautagen hat sie mich gebeten, ihr zu helfen. Sie denkt, der Herzog wird vergiftet. Sie weiß nicht, ob der Widmannstetter etwas damit zu tun hat oder jemand in der Küche. Sie hat mich nur um Hilfe gebeten. Ich habe eben versucht, ihr beizustehen.«
»Und du geiler Esel hast ihr erzählt, der Langhahn erpresst dich?«
»Ja.« Überreiter senkte den Kopf.
»Wegen uns?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Weswegen denn? Was hatte der rote Fuchs noch in der Hand gegen dich?«
»Die Geschichte mit der Löwengrube. Er drohte zu bezeugen, ich hätte den Widmannstetter reingeworfen.«
»Und? Hast du das getan?«
»Verdammt, Theresa, nein! Ich bin kein Mörder.«
Die Kärglerin rieb kurz in einer vertrauten Geste ihre spitze Nase an seinem gesenkten Kinn.
»Nun ja, mein großer Bär, mein heißer Hengst, man muss dich nicht lange erhitzen, bis du kochst. Das wissen wir beide.«
Er stieß sie heftig von sich weg.
»Lass mich in Ruhe, du Hexe. Ich habe mit all dem nichts zu tun.«
»Mit dem Langhahn auch nicht?«
»Nicht mehr und nicht weniger als du. Hast du nicht gesagt, als ich nicht mit dir schlafen wollte, du würdest dich um ihn kümmern? Hast du dich um ihn gekümmert? Wir hatten alle Gründe, oder etwa nicht? Hast du es getan? Hat der große, mächtige Herr, der nicht der Grünberger ist und nichts verzeiht, es getan? Es sieht so aus. Ich habe ihn nicht erdrosselt und du auch nicht, Theresa. Das glaub ich jedenfalls nicht.«
Die Kärglerin entspannte sich.
»Nein, bei aller Mordlust. Wie denn auch? Also hast du dich versteckt und das Fräulein hierher entführt. Weil du Angst hattest, der Herzog wisse durch sie von der Erpressung. Oder der Langhahn hätte vor seinem Tod gegen dich ausgesagt.«
»So ist es. Doch niemand weiß von der Erpressung, sagt sie. Ich könne ganz beruhigt sein.«
»Nun gut, Niklas, aber sie sucht immer noch nach Erklärungen und ist verzweifelt, seit ihr Widmannstetter entlassen worden ist. Hast du ihr von Langhahns letzten Worten erzählt, von diesem angeblich so großen Herrn? Davon hast du mir jedenfalls nicht berichtet.«
»In dem Moment habe ich ihm kein Wort geglaubt«, knurrte Überreiter. »So ein Prahlhans, dachte ich. Der wollte mir doch nur Angst einjagen, weil ich nicht kuschte. Doch jetzt fürchte ich mich. Er ist in einem verschlossenen, bewachten Gefängnis gemeuchelt worden. Wie Langhahn es sagte: Jemand ist hier so mächtig, dass es geschehen konnte. Einer, der annahm, er würde unter der Folter gestehen. Das Fräulein beweist Mut. Sie will alles genau wissen. Das ist gefährlich für uns, denn diesen großen Herrn und Meister des Soßenkochs gibt es wirklich.«
Anna Lucretia hielt sich, obwohl gelehnt an die Wand des Schuppens, kaum noch auf den Beinen. Innerlich kochte sie, aber äußerlich zitterte sie. So viel verlorene Zeit! So viele Zweifel und Gefahren! So viel Unglück, nur weil der Baumeister den Soßenkoch im richtigen Moment nicht ernst genommen hatte. Der geheimnisvolle Übeltäter, den sie durch Langhahn viel früher hätten ausmachen können, kreiste nun immer enger, immer furchtloser über ihrem Kopf. Die einzige neue Gewissheit – dass es ihn wirklich gab – half keinen Deut weiter und dieser dreifache Esel von Baumeister wusste nichts Mutigeres zu tun, als sich zu verkriechen. Das Bild eines schreienden Esels wich ihr nicht aus dem schmerzenden Kopf. Nur mühsam löste sie sich von dieser lästigen Vorstellung. Sie merkte, dass Überreiter – halb wohlig, halb verärgert – Unverständliches unter Theresas heftigen Liebkosungen brabbelte.
»Mein Männlein, mein großer Bär, mein Waldmensch, mach dich nicht verrückt! Ich bin ja da, ich passe auf, dass dir nichts geschieht. Küss mich! Es ist so lang her!«
Ob aus Lust oder Frust, der Baumeister erwiderte zunehmend wohlwollender ihre Zärtlichkeiten. Plötzlich packte er
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