Süßes Spiel der Sehnsucht
ungeduldig mit Tess. Ihre Gedanken überschlugen sich bei dem Versuch, sich an ungewöhnliches Verhalten bei Sybil in letzter Zeit zu erinnern, was selbstverständlich ein sinnloses Unterfangen war. Sie hatte während der vergangenen Woche kaum auf ihre Schülerinnen geachtet, weil sie zu sehr damit beschäftigt gewesen war, an Marcus zu denken. Bevor Sybil allerdings durchbrannte, brauchte sie einen Verehrer.
In diesem Moment fiel es Arabella ein, und ihr wurde beinahe übel vor Angst. Jasper Onslow. Sie hatte den notorischen Weiberhelden ertappt, als er Sybil beim Ball der Perrys auf der Terrasse küsste. Ein Tunichtgut wie Onslow wäre eventuell verzweifelt genug, um eine Fabrikantentochter mit großem Vermögen heiraten zu wollen. Aber war Sybil freiwillig mit ihm mitgegangen? Ihre fehlenden Kleider ließen kaum auf eine Entführung schließen.
Arabella wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als Jane mit Caroline zurückkam. Miss Trebbs war ein eher plumpes, schlichtes Mädchen. Als sie widerwillig mit ins Zimmer trat, sprach ihr schuldbewusster Gesichtsausdruck Bände.
Arabella verlor keine Zeit mit höflichen Einleitungen. »Caroline, Sie müssen uns sagen, wo Sybil hingegangen ist.«
Das Mädchen beugte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches.
»Sie hat Sie ins Vertrauen gezogen, nicht wahr?«, fragte Arabella nach, deren Geduld bereits überstrapaziert war.
»J-ja, Miss Loring ... Aber ich hab versprochen, es keinem zu sagen. Sybil sagte, sie würde mir die Zunge rausreißen, wenn ich was erzähle. «
Arabella holte tief Luft. »Wir werden dafür sorgen, dass Ihnen nichts geschieht, Caroline. Aber Sie müssen uns sagen, was geschehen ist. Sybil könnte in Gefahr sein.«
Es dauerte eine Weile, dann sprudelte es aus Caroline heraus: »Sybil ist gar nicht in Gefahr, Miss Loring. Sie ist nach Gretna Green gefahren! «
Jane stöhnte laut, während Tess und Arabella unglückliche Blicke wechselten. Wie es aussah, war Sybil mit ihrem Mitgiftjäger nach Schottland durchgebrannt - genau wie sie befürchtet hatten.
»Ist Mr. Onslow bei ihr? «, fragte Arabella.
Caroline fiel die Kinnlade herunter, als sie Arabella überrascht ansah. »Woher wissen Sie das? «
»Das ist unerheblich. Erzählen Sie uns einfach, was die beiden vorhaben. Es dauert mindestens drei Tage, bis sie in Schottland sind, möglicherweise länger. Wie war der Plan? Wann sind sie weg? «
»Kurz nach Schulschluss ... als wir ins Dorf zum Einkaufen gingen. Mr. Onslow wartete da in seiner Kutsche.«
»Und was sollte mit Sybils Zofe passieren? «, fragte Tess. »Ich bezweifle, dass Martha sie einfach so durchbrennen ließ. «
Caroline senkte den Kopf, als würde sie sich schämen. »Sybil wusste, dass Martha nicht den Mund halten würde. Deshalb zwäng sie sie, mit ihnen zu kommen. Sie wollte sie heute Abend irgendwo absetzen, von wo sie morgen mit der Postkutsche zurückfahren kann. Und ich sollte heute Abend sagen, dass Sybil krank ist. Sie dachte, vor morgen nach der Kirche würde sie keiner vermissen.«
»Außer Mrs. Phipps«, sagte Jane streng. »Sie wunderte sich, wo Martha blieb, und suchte hier nach ihr, wobei sie feststellte, dass Sybils Sachen fehlten.«
»Ja«, flüsterte Caroline kleinlaut. Dann sah das Mädchen Arabella an. »Es tut mir leid, dass ich gelogen habe, Miss Loring, ganz ehrlich.«
Arabella biss sich auf die Zunge, um das Mädchen nicht anzufahren, Jane indes nicht. »Das könnte unseren Ruin bedeuten«, murmelte sie verärgert. »Mr. Newstead wird außer sich sein. «
Doch diesen Aspekt wollte Arabella nicht vor einer der Schülerinnen erörtern. »Caroline, ich möchte, dass Sie vorerst in den Speisesaal zurückgehen. Und erwähnen Sie bitte nichts von alldem vor den anderen Schülerinnen.«
»Mach ich nicht, ich schwör's.«
Janes Geduld war unterdessen am Ende. »Junge Damen schwören nicht, Miss Trebbs! «
»Ja, Miss Caruthers ... äh, nein, Miss Caruthers ... « Zitternd vor Unsicherheit, vollführte Caroline einen tiefen Knicks vor Jane und huschte aus dem Zimmer.
Arabella sah ihre beiden Freundinnen an, und sie alle drei waren sich nur zu bewusst, welcher Skandal ihrem Institut drohte. Wenn sie es zuließen, dass eine ihrer Schülerinnen in die Hände eines Mitgiftjägers fiel, Heirat oder nicht, würden keine Eltern mehr ihre Töchter hierher geben.
Schlimmer noch: Sybil könnte mehr als nur den Verlust ihrer Reputation erleiden. Sie hatte lediglich eine Zofe zu ihrem Schutz bei sich, mithin
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