Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
Heiligenschein aus deinem Allerwertesten.«
»Reizend, mein Lord.«
Ich hatte entschieden zu viel Spaß mit ihr. »Na komm schon, Süße. Sag’s mir. Ich werde dich auch nicht weiter aufziehen.«
»Ihr lügt.«
»Aber nur ein bisschen.«
Ich beobachtete den inneren Kampf, der sich in ihren Augen spiegelte, wartete lächelnd ab. Pfiff die Melodie des Andantes aus dem dreiundzwanzigsten Klavierkonzert. Mir fielen zahlreiche Männer und einige Frauen auf, die den Engel interessiert musterten, während dieser mit sich selbst debattierte. Ich musste angesichts ihrer Ahnungslosigkeit grinsen. Ihre neue Rolle war genauso unpassend wie Jezebels neue Sterblichkeit.
Wie ein Engel unter Dämonen.
Mir stockte der Atem, als ich im Geiste meine eigene Stimme hörte, die mich daran erinnerte, wie ich Jezebels Seele berührt hatte –
… solche Schönheit oh zum Teufel solche Anmut und verdammt dieses Licht und Ein stechender Schmerz, genau zwischen meinen Augen. Stöhnend fasste ich mir an die Nasenwurzel, massierte sie. Scheiße, tat das weh.
»Mein Lord. Alles in Ordnung?«
Blinzelnd sah ich den Engel an, der mich mit gerunzelter Stirn betrachtete; seine eisblauen Augen schmolzen vor Besorgnis nur so dahin.
Du kannst eben nicht aus deiner Haut, Federweißchen, wie? Man kann einen Engel vom Himmel holen und ihn in die Hölle stecken, aber er bleibt stets ein Abgesandter des Himmels. »Es muss echt scheiße sein, in deiner Haut zu stecken«, kommentierte ich, während ich mich fragte, wie sie es wohl schaffte, unter all den Verdammten und Dämonen nicht den Verstand zu verlieren. Wie sie es schaffte, sich selbst treu zu bleiben, während sie zugleich die Rolle erfüllte, die man ihr zugeteilt hatte.
Ihre Augen verengten sich. »Wie bitte? Wollt Ihr mich etwa beleidigen, Lord?«
Sie war stärker, als sie selbst dachte, genau wie Virginia. Armer Engel mit gestutzten Flügeln, du verbrennst dir viel zu leicht die Federn. Sie stinken nach Asche, wenn sie verkokeln.
»Mein Herr?« Sie legte den Kopf schräg, beobachtete mich aufmerksam. Wonach suchst du, Engel? »Ihr seht nicht gut aus.«
»Mir geht’s bestens.« Meine eigene Stimme klang in meinen Ohren dumpf. Ich hörte mich an, als wäre ich von einem LKW überrollt worden. Und das mehrmals. »Ich habe nur Kopfschmerzen.«
Die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich. »Höllenwesen können keine körperlichen Störungen dieser Art empfinden.«
»Wenn wir in einem sterblichen Körper stecken, schon.« Meine Beschwerden waren fast so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen waren, aber sie hallten immer noch in meinem Kopf nach. Erinnerter Schmerz, Phantomschmerz.
»Es tut mir leid, dass ich Euch solche Qualen bereite«, sagte sie.
»Es liegt nicht an dir. Es …« Meine Worte rissen ab, und ich runzelte die Stirn.
Verdammt noch mal, woran, um alles in der Hölle, hatte ich gerade gedacht?
»Mein Lord?« Die Stimme des Engels war nicht mehr als ein hauchiges Flüstern. »Was ist los?«
»Nichts«, erwiderte ich, ein Gefühl von Kälte in den Knochen. Ein Gefühl von Unruhe.
Gefühl.
Warum fühlte ich etwas? Dämonen fühlen nicht. Wir haben keine Empfindungen, nicht im menschlichen Sinne. Ich konnte also gar kein ungutes Gefühl haben, keine wachsende Panik empfinden, weil mir hier irgendetwas entging, etwas Wichtiges.
Doch genauso war es. Ganz gleich, wie oft wir Dämonen die Menschen anlogen, wir konnten uns nicht selbst belügen. Ich fühlte etwas, verdammte Scheiße, ich fühlte … den Druck in meiner Brust, die Enge in meinem Hals, das unrhythmische Klopfen meines Herzens.
Ich hatte Angst.
Aber nicht um mein eigenes Überleben; nach mehreren Tausend Jahren in der Hölle kannte ich diese Reaktion nur allzu gut. Dieses neue Gefühl hatte nichts mit mir selbst zu tun, nicht einmal mit meinem fehlerhaften Gedächtnis oder meinen plötzlichen Kopfschmerzen, weder mit meinem Auftrag noch mit den Konsequenzen, falls ich versagte. Und gewiss nicht mit dem Preis, den man auf meinen Kopf ausgesetzt hatte.
Ich hatte Angst, das ja … aber um jemand anderen.
Ein Bild flammte vor meinem inneren Auge auf: smaragdgrüne Augen, die vor Freude funkelten; schwarzes lockiges Haar, das sich weigerte, von einer Bürste oder zu einem Pferdeschwanz gebändigt zu werden.
Nein.
Ich biss die Zähne aufeinander, knurrte. Ich bin ein Dämon. Ich habe keine Gefühle gegenüber anderen Geschöpfen, ganz gleich, ob menschlich oder höllisch oder sonst was. Ich kenne keine
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