Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
der von der bevorstehenden Hochzeit von Zerlina und Masetto kündete. Meine Nasenlöcher blähten sich von dem feinen Hauch des Schwefels, der über den Ozean menschlicher Gerüche hinwegwehte. Ein Dämon, aber kein Geschöpf der Lust. Ein Mitglied der Elite. Und dem Brummen nach zu urteilen kam derjenige allmählich näher.
Verdammt. Kann ich nicht mal die Oper zu Ende sehen, bevor ich um mein Leben kämpfen muss?
Ich warf einen Blick nach rechts, wo sich eine Frau an den sitzenden Gästen vorbei auf mich zubewegte – eine andere Frau als vorhin. Sie drängelte sich nicht rücksichtslos an ihnen vorbei, und sie schreckten nicht panisch vor ihr zurück. Also keine Vertreterin des Zorns oder des Hochmuts. Und obwohl sie kräftig gebaut war, gehörte sie nicht der Völlerei an. Insofern bestand keine unmittelbare Gefahr, zermalmt, filetiert oder aufgespießt zu werden. Wenigstens ein kleiner Lichtblick. Dann erkannte ich ihre Sündenzugehörigkeit: Neid.
Ich wandte mich wieder der Bühne zu, während ich den Dämon in Menschengestalt aus dem Augenwinkel beobachtete. Sie hatte die kolossale Figur eines Mezzosoprans und trug ein tief ausgeschnittenes Kleid aus pechschwarzer Wildseide. An ihrem Hals hing eine Kette mit einem protzigen Citrin, der ohne Zweifel ein Vermögen wert war. Ihr goldblondes Haar hatte sie zu einer kunstvollen Spirale hochgesteckt – eine Frisur, die ich seit einer menschlichen Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte; die Frauen von heute legten mehr Wert auf Zweckmäßigkeit denn auf Stil. Das Lächeln auf ihrem breiten Gesicht war starr und zu blutroter Perfektion geschminkt. Und natürlich verbittert. Wenn eine Vertreterin ihrer Zunft nicht gerade triumphierend grinste, konnte sie nur vor Bitterkeit lächeln. Ihre kleinen grünen Augen funkelten finster, als sie meinem Blick begegneten; sie erinnerten mich an einen ausgehungerten Vogel. Mit einem Mal konnte ich sie einordnen.
Heilige Eier, was machte die denn hier?
Sie ließ sich auf den freien Sitz links von mir sinken und zupfte mit pingeliger Perfektion an ihrem schwarzen Schultertuch. Dann strich sie ihr Kleid glatt und murmelte: »Was für eine Überraschung, dich hier zu treffen, Daunuan.«
Ich neigte meinen Kopf. »Eris.«
»Kein Titel, Inkubus?« Ihre Augen leuchteten in jadegrünem Feuer. »Wie anmaßend.«
»Wir sind einander inzwischen ebenbürtig, Prinzessin. Aber wenn du darauf bestehst, nenne ich dich gern Lady Missgunst. Du sollst nicht denken, ich hätte dich deines Titels beraubt.« Ich schenkte ihr ein strahlendes Lächeln mit einem Schimmer von Fangzähnen. »Erst recht nicht, nachdem du diese Sterbliche ihres Sitzplatzes beraubt hast. War kein Platz im Orchestergraben zu bekommen?«
»Keiner, den ich hätte vereinnahmen können«, sagte sie schulterzuckend. »Deine Nachbarin hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich zu vergewissern, dass niemand ihr Auto gestohlen hat.« Sie suchte meinen Blick, lächelte mit feucht glänzenden Lippen. »Das Wort ›Bedürfnis‹ kannst du doch sicherlich auch in diesem Kontext verstehen, oder?«
»Das kommt ganz darauf an. Was für ein Auto ist es denn?«
»Ein Lamborghini Gallardo.«
»Nicht übel. Vielleicht stehle ich es nach der Vorstellung.«
»Zu spät«, erwiderte Eris, »sie ist bedauerlicherweise schon weg. Das ist nun mal der Nachteil, wenn man etwas besitzt, das einem jeder neidet; man kann sich nicht lange auf etwas anderes konzentrieren.« Sie fingerte an ihrer Halskette herum – ihr bernsteinfarbener Nagellack funkelte, während sie an der Kette fummelte. Für eine Missgünstige war Eris eigentlich ganz in Ordnung. Na ja, zumindest erträglich, wohingegen die meisten ihrer Art absolut unausstehlich waren. Ich hatte noch nie viel für Neider übrig gehabt. Eris lehnte sich zu mir herüber und belohnte meine Aufmerksamkeit mit einem Einblick in ihren Ausschnitt. Ihre derzeitige Gestalt war wirklich beeindruckend ausgestattet. »Dann verrate mir doch mal, Lord Lüstling«, sagte sie mit einem kehligen Schnurren in der Stimme, »was treibt dich in die Oper von San José? Sag nicht, du schläfst mit der Sopranistin …«
Ich lächelte bei dem Gedanken. »Nichts dergleichen.«
»Gut. Ich mag ihre Stimme. Es wäre bedauerlich, eine so vielversprechende Karriere abrupt enden zu sehen.« Sie lauschte dem Bass, schnaubte verächtlich. »Du kannst den Leporello haben. Er ist einfach lausig.«
»Ich bin nicht seinetwegen hier.«
»Nein? Wegen wem dann?«
»Wegen
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