Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
vor, Daunuan. Für die alten Dämonen des Geizes, die zusammen mit dem ersten König in die Hölle eingezogen sind, gibt es keinen größeren Frevel.«
Mein Kopf schwirrte von ihren Worten. Vielleicht log Eris nur, um mich aus dem Konzept zu bringen. Aber wozu? »So viel Hass, nur wegen eines Namens? Das ist Irrsinn.«
»Namen haben Macht.« Eris grinste hämisch, ein Lächeln, das sich von Bitterkeit in Hass verwandelte. »Wie würdest du reagieren, wenn ich dir sagen würde, dass das gesamte Land der Lust ab sofort dem Neid angehörte?«
»Unsere Sünden haben nichts miteinander gemein.«
»Ach, nein? Was sonst ist Lust, wenn nicht der Neid auf die sexuelle Leistungsfähigkeit eines anderen?«
Das traf mich wie ein Schlag. Zu behaupten, dass ich andere Geschöpfe wegen ihrer sexuellen Eroberungen beneidete, war eine Beleidigung, die ich nicht auf mir sitzen lassen konnte. Ich knurrte sie an: »Das ist riesengroßer Bockmist, und das weißt du!«
»Weiß ich das wirklich, Daunuan?« Ihre Schultern bebten vor stiller Belustigung. »Ich bin schon deutlich länger hier als du. Ich verstehe die Natur der Sünden besser, als du es je tun wirst.«
»Na schön, ich werde dein Spielchen mitspielen. Sagen wir, die Sünden sind tatsächlich formbar. Dann ist Neid nichts anderes als die Lust nach allem, was einem nicht gehört«, erwiderte ich, während ich ihren Schal packte und sie an mich heranzog. »Du wärst eine der Meinen.«
Sie verzog ihre scharlachroten Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Neid ist mächtiger als Lust. Sieh dir die irdischen Sphären nur an: Die Menschen töten und sterben andauernd aufgrund von Neid.«
»Lies die Zeitung«, sagte ich, während ich daran dachte, ihren Nacken zu küssen. »Menschen sind genauso schnell dazu bereit, aus Gründen der Lust zu töten und zu sterben. Schneller sogar.«
»Sie mögen zwar aus Lust sündigen, aber nicht in demselben Maße, wie sie es aus Neid tun.«
»Morde aus Leidenschaft sind gang und gäbe, Prinzessin.« Ich atmete den Whiskeyduft ihres Haars ein, hielt sie fest umschlungen – ich wollte sie. »Ich sage dir, die Menschen sind noch viel durchgeknallter als die Dämonen, wenn es darum geht, sich gegenseitig zu vernichten.«
»Leidenschaft ist nicht das Gleiche wie Lust«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Leidenschaft entsteht aus Liebe. Menschen sterben für die Liebe. Und Lust mag vieles sein, aber keine Liebe.«
Satan, verschone mich! Nicht noch ein Wesen, das die Tugenden der Liebe predigte. »Menschen töten aus Lust.«
»Das ist nicht dasselbe«, beharrte sie.
Das Licht im Hof flackerte, um uns darauf hinzuweisen, dass die Pause in fünf Minuten vorbei sein würde. Die Menschen um uns herum drückten ihre Zigaretten aus, beendeten ihre Unterhaltungen oder was auch immer sie gerade taten und schoben sich zurück ins Theater.
»Der Neid siegt immer über die Lust, Daunuan. Und die Liebe übersteigt unser beider Verständnis. Sie liegt nicht in unserer Natur.« Eris hakte sich bei mir unter und lächelte zu mir auf. Ich fragte mich, ob sie ihren Mund mit Lippenstift gefärbt hatte oder ob sie sich von vornherein dazu entschlossen hatte, ihren Mund so blutig wie rohes Fleisch aussehen zu lassen. Wenn ich sie küsste, würde ich es mit Sicherheit wissen.
Aber so verlockend die Vorstellung auch war – zumal Eris mich eindeutig dazu ermutigte –, es wäre zugleich ein kolossaler Fehler gewesen. Schlimm genug, dass ich dringend herausfinden musste, wie ich Virginia umwerben und gewinnen konnte. Doch weitaus schlimmer wäre es, nebenbei etwas mit Eris anzufangen … und ihr auch noch einen guten Grund zu geben, eifersüchtig zu werden. Der Himmel kannte angeblich keine größere Wut als Liebe, die zu Hass wurde; aber die Hölle kannte keinen größeren Zorn als den einer geschmähten Frau. Weibliche Wesen konnten zu regelrechten Furien werden. Und da ich die Furien persönlich kannte – und fürchtete –, wusste ich, wovon ich sprach.
»Glaub, was du willst«, sagte ich. »Aber ich gehe jede Wette ein, dass Lust stärker ist als Liebe.« Und als Neid. Aber den Teil behielt ich lieber für mich.
»Vielleicht solltest du dir mehr Opern ansehen«, sagte sie. »Versuchs mal mit Aida. Nettes kleines Stück, das damit endet, dass die Frau sich dazu entschließt, mit ihrem Liebhaber lebendig begraben zu werden.«
»Reizend.«
Sie drückte meinen Arm. »Für die Liebe bringen die Menschen Opfer. Nenne mir ein einziges Opfer, das aus Lust
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