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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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völlig menschenleer gewesen, also war es auch nicht ausgeschlossen, dass ich eine eigens errichtete Bühnendekoration entlangmarschiert war. Ich musste nur noch begreifen, welchen Zweck diese grandiose Manipulation erfüllte.
    Nummer zwei: Ich hatte die dünne Membran, die die reale Welt von der Fiktion meiner aufgewühlten Fantasie trennte, durchbrochen, ohne sie zu spüren, und war in den Sumpf der klinischen Schizophrenie hinabgerutscht. In eben diesem Augenblick blökte ich wahrscheinlich unruhig vor mich hin, eingewickelt in eine Zwangsjacke, in einer Sonderzelle für Tobsüchtige irgendwo in den Bunkern der Kaschtschenko-Klinik. Eine zwar traurige, aber wenigstens dem Verstand zugängliche Erklärung.
    Etwas anderes war nicht denkbar. Die Behauptungen dieses selbst ernannten Itzamná waren zweifelsohne absurd, ja eine Provokation. Ein ausgezeichneter Plot für einen nächtlichen Alptraum: Einer der darin handelnden Charaktere behauptete einfach frech, dass nicht er, sondern man selbst die Illusion sei.
    »Jede Minute werde ich erwachen!«
    »Ich dachte mir schon, dass dieses Gespräch nicht einfach wird«, entgegnete er müde. »Ich bin zugegeben etwas ratlos, wie ich Ihnen klarmachen soll, dass die Möglichkeit, an einem anderen Ort zu erwachen als in meinem Traum … « - er machte eine kleine Pause, damit ich den Sinn seiner Worte erfühlte - »… leider nicht besteht. Schlimmer noch: Nicht einmal ich selbst bin in der Lage, aus dem Traum zu erwachen.
Wir sind also schlicht dazu verdammt, uns miteinander zu unterhalten.«
    »Wie soll denn bitte diese unendliche, facettenreiche, unbeschreiblich vielfältige Welt, all meine Bekannten und ich selbst eingeschlossen, in Ihren Schädel passen?« Ich versuchte ironisch zu klingen, doch im entscheidenden Moment brach meine Stimme und gickste hysterisch.
    »In Ihren ja offenbar schon«, antwortete er giftig.
    »Na gut, nehmen wir für einen Augenblick an, dass Sie Recht haben. Damit deutlich wird, wie lächerlich Ihre Theorie ist. Wie wollen Sie denn beweisen, dass diese Welt ein Geschöpf allein Ihrer Vorstellungskraft ist?«
    »In diesem Fall wäre alles nur halb so wild. Aber zu allem Unglück bin ich in den Kellerräumen des Unbewussten gelandet. Sie glauben doch nicht, dass ich mich im Ernst für Itzamná ausgeben und dann noch an meine Tür ›Gott‹ schreiben würde? Sie müssen zugeben, dass das zumindest nicht sehr bescheiden …«
    »Lenken Sie nicht von der Frage ab!«
    »Na gut. Ach, übrigens: Rauchen Sie? Nein? Würden Sie mir trotzdem Gesellschaft leisten?« Er gürtete seinen Hausmantel fester und bedeutete mir, ihm in den Flur zu folgen. »Eigentlich darf ich das nicht, aber Sie werden es doch hoffentlich niemandem sagen …«
    Er zündete ein Streichholz an, zog genussvoll an der billigen Zigarette und blickte mich prüfend an.
    »Nehmen wir allein die Maya-Pyramide mit der Mumie des Führers auf dem Roten Platz! Vollkommen absurd, finden Sie nicht? Andererseits, woher sollten Sie wissen, was sich dort wirklich befindet …«

    »Das ist doch das Lenin-Mausoleum!«, entgegnete ich. Ich musste daran denken, wie ich selbst es, betäubt von Casa del Lagartos Bericht, für einen Indio-Tempel gehalten hatte. Aber ich war wenigstens wieder rechtzeitig zu mir gekommen.
    »Hätte ich nicht mein Leben vollkommen der Maya-Forschung gewidmet, wäre es dort gar nicht erst aufgetaucht! Sie müssen wissen, dass ich während meines Konstrukteurstudiums einmal eine Konferenz der sozialistischen Jugend in Mexiko besucht habe.«
    Ich blickte ihn an wie einen Irren.
    »Als bester Student meiner Kohorte war ich zu einem Gespräch ins Komitee für Staatssicherheit geladen worden. Dort hieß es, wenn ich mich bereiterklärte, mit ihnen zusammenzuarbeiten, würden sie für mich den Eisernen Vorhang etwas öffnen. Man riet mir, Spanisch zu lernen. Ein halbes Jahr später flog ich nach Mexiko-Stadt.«
    Bei der Erwähnung des KGB war mein Gesicht offenbar etwas zusammengezuckt, weshalb er innehielt und vorwurfsvoll sagte: »Glauben Sie nicht, dass ich die Kooperation mit dem Komitee bedaure. Inzwischen werden diese Leute von allen Seiten kritisiert, dabei haben sie nicht wenig Nützliches erreicht. Und wenn irgendjemand heute in diesem Land für Ordnung sorgen könnte, dann sie.«
    Ich hatte mich wieder in der Gewalt und wollte keinen Streit beginnen. Alles, was mich interessierte, war, dass er mir die romantische Geschichte von seinem Abenteuer mit den Maya zu Ende

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