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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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ich den Namen und die Silhouette von Knorosows Flugzeug kannte: aus jenem Zeitungsartikel über die Pläne zur Errichtung eines gigantischen Flugzeug-Denkmals auf den Sperlingsbergen.
     
    Was folgte daraus? Knorosows verstorbene Gattin hatte eine Gedenkstätte erhalten, deren Größe das Puschkin-Museum um ein Vielfaches übertraf. Das Jagdflugzeug, mit dem er geflogen war, erhielt nun als Bronzeplastik in nahezu hundertfacher Vergrößerung einen Ehrenplatz bei der MGU, der Jugend zur Mahnung. Und seine Tochter hatte trotz eines eher mittelmäßigen Aussehens die Jury eines großen internationalen Wettbewerbs derart hypnotisiert, dass man ihr den Titel der schönsten Frau des Planeten verlieh - etwa nur, weil ihr Vater sie dafür hielt? Wer stand da also eigentlich vor mir in der Gestalt eines alten Mannes, der sich inzwischen in einer wütenden Rede über das harte Schicksal der Soldaten des Großen Vaterländischen Krieges erging?
    »… wie man heute mit den Veteranen umgeht! Diese Menschen, die ohne Zögern ihr Leben für die künftigen Generationen aufs Spiel setzten, haben es verdient, besser behandelt zu werden. Fragen Sie mal die Jugend, ja sogar Leute mittleren Alters. Die wissen gar nicht mehr, welche
unmenschlichen Anstrengungen uns der Sieg damals abverlangte! So mancher Held, der nicht weniger mutig war als die Heroen der griechischen Mythologie, ist heute vergessen. Die Veteranen fristen ihre letzten Lebensjahre in Armut. Eine staatlich verordnete Sklerose, genau das ist …«
    »Wer sind Sie?«, brach es aus mir heraus. »Wer sind Sie?«
    Der Alte runzelte die Stirn, erbost, dass ich ihn unterbrochen hatte.
    »Ich dachte, ich hätte mich bereits vorgestellt«, bemerkte er trocken.
    Unfähig, mich zurückzuhalten, schrie ich fast: »Was um Himmels willen bedeutet das Schild an Ihrer Tür? Was haben Sie mit Itzamná zu tun? Was soll das alles überhaupt?«
    Ein dunkler Geschäftemacher, der antike Kunstgegenständer und alte Bücher sammelte? Ein megalomaner Historiker, der durch Zufall auf eine Quelle unendlicher Macht gestoßen war? Ein sowjetischer Wissenschaftler, in den sich bei einer Forschungsexpedition in Yucatán ein göttliches Wesen eingenistet hatte? Ein ganz normaler Irrer, der sich aus Zeitungsausschnitten eine neue Biographie erdichtete? Wer, bei allen Dämonen, war dieser seltsame alte Mann, der mich in eine abenteuerliche, fast 450 Jahre alte Geschichte verwickelt hatte, die zu allem Überfluss auch noch mit der Zukunft verwoben war? Wer war dieser Mann, der meinen Verstand ins Wanken gebracht hatte und der über mein Leben verfügte wie über eine Spielmarke?
    »Was da an der Tür steht, ist mehr oder weniger die Wahrheit«, erwiderte er unerwartet leise. »Ein nettes kleines Wortspiel. Wer hätte gedacht, dass mein Unbewusstes noch zu solchen Scherzen fähig ist …«

    »Erklären Sie mir endlich, was hier vor sich geht! Was ist das für ein Ort? Was für ein teuflischer Fahrstuhl, der kilometerweit nach oben fährt? Was ist das für eine tote Straße mit tausend Häusern, die auf keinem einzigen Stadtplan zu finden ist? Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. Sie sind nur eine Erscheinung, weiter nichts! Nichts davon existiert, ich werde gleich aufwachen, und dann wird sich herausstellen, dass ich das alles nur geträumt habe, und es kein Buch gibt, keinen Casa del Lagarto, kein Ende der Welt! Natürlich! Mein Gott, von wegen Golems, Tiermenschen und Marionetten! Ich schlafe einfach, und Sie sind in meinem Traum!«
    Ich zitterte am ganzen Körper. Er beobachtete mich aufmerksam und machte keinen Versuch, mich aufzuhalten oder zu beruhigen. Als mein Anfall zu Ende war und sich keine Worte mehr aus mir herauswürgten, schüttelte er den Kopf und lächelte ironisch.
    »Erstaunlich, wie egozentrisch die Menschen doch sind - selbst die fiktiven.«
    Ich fuhr hoch. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Auch wenn Sie es mir wahrscheinlich nicht glauben werden: Es ist genau umgekehrt. So unangenehm es mir ist, Ihnen dies sagen zu müssen, aber in diesem Fall bin ich es, der Sie träumt. Wie auch den Rest der Sie umgebenden Welt.«
    »Was für ein unglaublicher Quatsch«, entgegnete ich genervt.
    Version Nummer eins: Hinter dem Aufzug verbarg sich irgendein komplizierter technischer Trick, der dem Fahrgast einen endlosen Anstieg vorgaukelte, während er jedoch
nur zwei oder drei Stockwerke nach oben fuhr. Und die merkwürdige Gasse existierte wahrscheinlich gar nicht. Immerhin war sie

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