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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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und Straßen waren mit einem weißen Leintuch bedeckt. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie der Winter in der Stadt eingebrochen war. Bei uns in Yucatán herrschte jetzt wahrscheinlich brütende Hitze, und in den letzten Wochen hatte ich überall - ob auf dem Arbat, am Gartenring oder bei mir zu Hause - nichts als dichten Regenwald gesehen.
    Riesige Schneeflocken sanken leise zu Boden und bedeckten den nassen Asphalt - die braune Moskauer Erde, angereichert mit Kippen, Hundehäuflein und Herbstlaub, die Generationen von Bauarbeitern immer wieder umgegraben hatten - und verliehen dieser verrückten Stadt eine ganz untypische Ruhe und Feierlichkeit.
    Die wenigen Autos fuhren ungewöhnlich langsam, als hätte jemand die Fahrer mit einem magischen Bann belegt, den sie sich nicht zu brechen trauten. Ich bog in den Neuen Arbat ein und ging einfach der Nase nach, folgte dem feengleichen Tanz der Schneeflocken und versuchte, an nichts zu denken. Ich erlebte einen jener seltenen Momente, da ich mit meinem ganzen Körper, mit jeder Zelle spürte, dass ich tatsächlich existierte, dass ich auf kindliche Weise echt war.
    Der Schnee hatte alles mit einer Schicht aus Puderzucker bedeckt: meine Ängste genauso wie die Alpträume und überhaupt meine ganze Obsession mit dieser verfluchten Konquistadorengeschichte. Ich begann zu vergessen, dass ich die letzten Tage an nichts anderes gedacht hatte als an die Traditionen längst ausgestorbener oder ausgerotteter Völker, an jahrhundertealte Geheimnisse, an Menschen, von denen nicht mal mehr eine Handvoll Staub übrig war, sowie an deren Intrigen, die heute jegliche Bedeutung verloren
hatten. Ich begann zu vergessen, dass ich tags zuvor mit eigenen Ohren eine professionelle Sprecherstimme im Radio gehört hatte, die mir in russischer Sprache von Ereignissen berichtete, die sich in Mittelamerika vor einem Dreivierteljahrtausend zugetragen hatten. Dass die Beschäftigung mit den Maya und der Geschichte der Conquista für mich plötzlich zur Zwangsvorstellung geworden war, als hätte ich bei einem touristischen Ausflug im Tropenwald meine Gruppe verloren, mich verirrt und wanderte nun schon über einen Monat umher, vorbei an Sümpfen, Lianen und Sapotillbäumen.
    Ich ging einfach immer weiter, genoss den Frost, lauschte dem angenehmen Knirschen unter meinen Sohlen und konzentrierte mich auf die Abdrücke, die meine Stiefel in der Schneekruste hinterließen. Ich achtete darauf, dass sich die Spuren tief genug eindrückten, so dass der schwarze Asphalt hindurchschien, und versuchte immer den gleichen Abstand einzuhalten. Es sind diese einfachen, sinnlosen Aktionen, mit denen du am besten den ganzen Müll loswirst, der sich in deinem Kopf angesammelt hat.
     
    Genau in diesem Moment, als ich schon dachte, der Schnee und das morgendliche Moskau hätten mich von meiner Manie geheilt, hob ich den Blick vom Boden unter meinen Füßen - und mir wurde übel: Direkt vor mir ragte eine Tempelpyramide in die Höhe.
    Sie sah fast genauso aus wie auf den Zeichnungen in Jagoniels Buch oder auf den Fotos der britischen Forscher, die Kümmerling in seinen Geheimnissen abgedruckt hatte. Die Zeichnungen waren jedoch nur schematisch gewesen und
die Fotografien schwarz-weiß und von schlechter Qualität. Eine echte Stufenpyramide mit quadratischem Eingang in der Mitte und einem Opferstein auf dem vorletzten Sockel zu erblicken, hier und jetzt in meiner eigenen Stadt, war unfassbar und furchterregend. Meine Beine knickten ein, und ich sank im Schnee auf die Knie, unfähig den Blick von dem Gebäude abzuwenden.
    Es war nicht groß, kein Vergleich mit der Zauberer-Pyramide in Uxmal, doch die Ähnlichkeit der Linien war zweifelsohne vorhanden. Die gleichen Proportionen, der gleiche Rhythmus der Formen, die gleiche strenge, asketische und zugleich würdevolle, fremde Schönheit - einfach, aber keineswegs primitiv.
    Diese Pyramide war keine Illusion, anders als die Radiosendung über die »Welt der Maya« machte sie keine Anstalten zu verschwinden. Vergeblich kniff ich mich in den Arm, wandte den Kopf ab und schielte wieder hin, halb hoffend und halb fürchtend, dass sie sich auflöste, sobald ich wegsah. Die Pyramide blieb jedoch an ihrem Platz, sie erschien unverrückbar real, als hätte sie tatsächlich all die Jahrhunderte hier gestanden, ohne dass es jemandem aufgefallen war. Was war schon so Besonderes an einem indianischen Tempel im Zentrum Moskaus?
    Na gut, dann war ich eben übergeschnappt. Auch so etwas musste

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