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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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gelernten Satz unterstrich sie mit einem Plastiklächeln, wie man es von gewissen frivolen Schaufensterpuppen kennt.
    Es dauerte mindestens eine halbe Minute, bis ich reagierte: »Ach so. Was Technisches …«

    Meine anfängliche Enttäuschung wich aufrichtiger Erleichterung. Es wäre jedoch gelogen, zu behaupten, dass in mir nicht für einen Augenblick die Hoffnung aufkeimte, doch noch an den nächsten Teil jener Übersetzung zu gelangen. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und mich für ein paar Sekunden taub und blind machte. Mechanisch nickte ich zum Takt ihrer Erklärungen, doch deren Bedeutung drang erst mit einiger Verspätung zu mir durch.
    »Sie haben doch schon mal mit Fachtexten gearbeitet?«
    Das verbindlich-freundliche Interesse in ihrer Stimme überdeckte fast vollständig den misstrauischen Unterton. Sie hatte sich meisterhaft in der Gewalt. Elegant neigte sie ihren Kopf in einem genau bemessenen Winkel zur Seite, so dass eine Haarsträhne über eines ihrer schalkhaft blickenden Augen fiel. Und trotz ihrer glänzenden Zahnprothesen - sie erinnerten an die Beißer eines ausgestopften Tiers -, die ihrem Gesicht in meinen Augen eher eine mädchenhafte Verschmitztheit verliehen, war ihre Mimik doch so vollkommen kontrolliert, dass ich sie wie gebannt anstarrte.
    »Nein …«, hob ich an, doch dann fing ich mich im letzten Augenblick. »Äh, ja schon.«
    »Wissen Sie was, eigentlich …« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und kniff die Lippen zusammen. Da war sie, die Absage. Ich war schon bereit, mich damit abzufinden, aber da riss ihre Maske noch einmal auf - vielleicht weil sie nicht ganz sicher war, wie sie meinen Gesichtsausdruck deuten sollte - und sie beendete ihren Satz etwas unpassend zum Anfang: »… versuchen Sie den Auftrag doch
einfach zeitnah zu erledigen. Dann sehen wir ja, wie Sie damit zurechtkommen.«
    Sie nickte resolut, trat an ein Regal mit lauter einheitlichen schwarzen Plastikmappen, zog eine davon heraus und reichte sie mir.
    Ich unterschrieb ein Formular, erkundigte mich nach dem Honorar (das meine Erwartungen bei weitem übertraf) und lächelte der Mitarbeiterin dankbar zu. Den Pleitegeier hatte ich vorerst vertrieben. Dank meiner kürzlich erworbenen Wörterbücher würde ich diesen Auftrag zügig erledigen können. Ein Tannenbaum, frische Lebensmittel und die Geschenke für meine Studienfreunde rückten wieder in realistische Reichweite, und zu verdanken hatte ich das einer Dame aus Zelluloid. Doch wie sollte ich ihr meinen Dank zum Ausdruck bringen? Sollte ich versprechen, sie bis ans Ende meiner Tage staubfrei zu halten und ihre Batterien zu wechseln?
    »Ich danke Ihnen … sehr. Wirklich.« Ich begann meinen Rückzug, ohne meinen Blick von ihr abzuwenden. Plötzlich stolperte ich über eine Schwelle und landete auf dem Boden, hielt aber die Mappe noch immer krampfhaft fest.
    »Vorsicht!«, rief sie erschrocken, kam zu mir gelaufen und half mir auf die Beine. »Haben Sie sich wehgetan?«
    Ich mied ihren Blick, damit sie mein glühendes Gesicht nicht sah, befreite mich ungeschickt, murmelte etwas zum Abschied und stürzte zum Ausgang.
    »Geben Sie auf sich Acht!«, rief sie mir hinterher.
    Die letzten Worte wurden jedoch abgeschnitten, als sich die glänzenden Aufzugtüren schlossen, und ich hörte nur noch: »Geben Sie auf …«

    Auf dem Weg zur Metro musste ich ständig an meinen linkischen Sturz und das peinliche Gespräch denken. Ich biss mir auf die Lippen, um das nagende Gefühl der Demütigung durch diesen irgendwie angenehmen Schmerz zu lindern. Das war absolut typisch für mich: Wenn ich versuchte, auf meine ungeschickte Art mit einer schönen Frau zu kommunizieren, endete das meistens in einer Art Schockzustand.
    In dieser schrecklichen Stimmung der Selbsterniedrigung und des amateurhaften Masochismus erschien mir der Zeitungskiosk, an dem ich gerade vorbeikam, wie eine Oase des Vergessens aus Tausendundeiner Nacht. Mich mit anderer Leute Sorgen von meinen eigenen unangenehmen Emotionen abzulenken, alles mit Zeitungsartikeln zuzukleistern - das war genau, was ich jetzt brauchte. Der Moskowski Komsomolez eignete sich dazu wie kein anderes Blatt.
    Auf der Fahrt nach Hause las ich akribisch alles, was auch nur halbwegs von Interesse war. Eine Überschrift in riesigen Lettern verkündete, dass die Opferzahlen der Hurrikane in den USA und Lateinamerika bereits in die Hunderttausende gingen. In Guatemala und Nicaragua hatte, für diese Jahreszeit

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