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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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geführt. Die Lage wird dadurch erschwert, dass auch die Dämme an den Kanälen zum Pontchartrain-See gebrochen sind, der höher liegt als die Stadt selbst. Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes und der Armee versuchen derzeit, die Dämme wenigstens notdürftig zu verstärken, bislang jedoch ohne Erfolg. Im Stadtzentrum herrschen Chaos und Anarchie. Sämtliche Waffengeschäfte wurden geplündert. Aufgrund mangelhafter Organisation der Rettungseinsätze kommt die humanitäre Hilfe nur mit großer Verspätung
und nur bei Teilen der Bevölkerung an. Die Überlebenden ziehen marodierend umher und plündern wahllos Geschäfte. Luftlandeeinheiten, die von Transporthubschraubern des Typs ›Chinook‹ in die Stadt gebracht werden, sind dem heftigen Widerstand bewaffneter Banden ausgesetzt und tragen schwere Verluste davon.
    Zum Zeitpunkt ihres Eintreffens in Houston und Dallas erreichte Simone Stufe 5, was der höchsten Stufe auf der Gefährdungsskala entspricht. Millionen von Bewohnern beider Städte, die versuchten, sich ins Landesinnere zu retten, sitzen in der Falle, da die Straßen aufgrund vieler Unfälle blockiert und die Hauptverkehrsadern des Staates Texas von teils kilometerlangen Staus verstopft sind. Soeben erreicht uns eine Meldung, wonach die Route des Hurrikans von Houston nach Dallas auf einigen Meilen an der Autobahn entlangführte. Die genaue Zahl der Opfer ist bisher unbekannt, vermutlich geht sie jedoch in die Tausende.
    Der Wirbelsturm verursachte zudem schwere Schäden an mehreren Ölplattformen im Golf von Mexiko, einige wurden sogar komplett zerstört. Die Raffinerien in Houston und Dallas rechnen mit Schäden in Milliardenhöhe. In der Folge ist der Ölpreis auf den Weltmärkten sprunghaft angestiegen und hat bereits die Marke von 93 US-Dollar pro Barrel überschritten.
    Die mexikanischen Küstenstädte Veracruz, Ciudad Hermosa und Ciudad Madero, die der Hurrikan Isabel vor einer Woche dem Erdboden gleichgemacht hatte, blieben dieses Mal weitgehend verschont. Dennoch gestattet die mexikanische Regierung den Einwohnern dieser Städte nach wie vor nicht, in ihre Häuser zurückzukehren, da sie neue Unwetter befürchtet.«
     
    Ich saß mit offenem Mund da und starrte auf den Lautsprecher. Der Bericht erinnerte an einen Endzeitroman. Was
soll ich sagen: Hin und wieder hatte ich es bereut, keinen Fernseher zu besitzen. So auch diesmal. Die furchtbaren und sicher unvergesslichen Bilder des zerstörten New Orleans musste meine Fantasie nun selbst generieren.
    Der Nachrichtensprecher war bereits zu Meldungen über Krisenherde in Afrika übergegangen, und ich begann zerstreut am Regler zu drehen, da mich das Thema nicht interessierte. Ich brauchte nicht lang zu suchen.
    Wie gesagt stammt mein Radio noch aus den 70er Jahren und empfängt nur Kurzwellensender. Auf der Vorderseite verläuft längs über das Gehäuse eine verglaste Skala. Diese nennt die wichtigsten Frequenzen sowie die Metropolen, aus denen auf den entsprechenden Wellen gesendet wird. Oder zumindest in den 70er Jahren gesendet wurde. Bei der einen Markierung steht »Berlin«, bei einer anderen »Paris« und bei der dritten »Buenos Aires«. (Ich bin mir übrigens sicher, dass unseren Vätern damals, wenn sie ehrfürchtig einen Sender anpeilten und der verrauschten Stimme des argentinischen Sprechers lauschten, viel stärker bewusst war, wie klein und eng die Welt ist, als uns heute, wo uns das Fernsehen die neuesten Nachrichten aus Lateinamerika live präsentiert.)
    Ich hangelte mich von Station zu Station und lauschte dem kaum verständlichen Raunen spanischer Journalisten und dem Jaulen der Radiowellen. Etwa vier Millimeter vor Buenos Aires und nicht weit von Mexiko-Stadt entfernt herrschte jedoch plötzlich Stille. Nur ein leichtes elektrisches Knistern war noch zu hören.
    Ich wollte schon wieder an dem gerieften Stellrädchen drehen, um meine ziellose Suche fortzusetzen, als der Apparat
mit rollendem Bariton anhob: »Buenos días, liebe Freunde, und willkommen zu ›Die Welt der Maya‹. In unserer heutigen Sendung erfahren Sie Neues aus dem politischen, gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Leben der großen Kultur der Maya. Hier die wichtigste Nachricht des ersten Tages Chuwen im vierten Monat Kumk’u: Der Staat Maní-Tutuxiú erklärt seinem nächsten Nachbarn, dem Fürstentum Cochuah, den Krieg. Die Diplomaten halten die Einmischung des Staates Sotutá für unausweichlich, da dieser mit Cochuah durch ein gegenseitiges

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