Sumerki - Daemmerung Roman
würde.
Nach kurzem Zögern trug ich die Tagebuchseiten, die Schreibmaschine und meine Wörterbücher in die Küche hinüber. Ich machte mir noch etwas Tee, legte ein frisches Blatt in die Olympia ein, schob den Wagen mit der Schreibwalze nach rechts und holte tief Luft, bereit zum Tauchgang.
»Dass ich am nächsten Morgen schon fürchtete, nicht mehr alle Teilnehmer unserer Expedition zu zählen, jedoch alle wohlauf waren, wenn auch niemand von uns ausgeruht war. Dass einige von uns murrten und darum baten, den Aufbruch zu verschieben, unser Wegführer jedoch mit großer Erregung forderte, unverzüglich das Lager zu verlassen und weiterzugehen.
Dass Vasco de Aguilar sich dafür aussprach, den Marsch nicht gleich fortzusetzen und über Müdigkeit klagte, und als er erfuhr, dass wir auf Drängen des Juan Nachi Cocom doch weitergehen würden, jenen finster anblickte und versprach, dem Indio schon bald alles heimzuzahlen; woraufhin sich aber Fray Joaquín sanftmütig für unseren Wegführer einsetzte und den Zorn des Vasco de Aguilar durch milde Worte zu besänftigen suchte.
Dass wir alsbald aufbrachen und auf der weißen Straße weitermarschierten und ich Juan Nachi Cocom fragte, ob er nicht glaube, dass Vasco de Aguilar seinen Kameraden, das Halbblut Hernán González, umgebracht haben könne. Dass der Indio darüber in tiefe Bestürzung geriet und den Mörder nicht nennen wollte, sondern nur immer wieder sagte, Hernán González habe sich selbst nichts angetan.
Dass nach einigem Schweigen Juan Nachi Cocom auf unser Gespräch zurückkam und fortfuhr, die Sünde sei nicht bei jemandem von den Unsrigen zu suchen, sondern bei einem gewissen Jaguarmenschen. Dass der Wegführer jedoch nicht imstande war, genau zu erklären, was dies für ein Geschöpf sei und warum es seinen Stammesgenossen
getötet hatte. Dass ich aus seiner wirren Erzählung nicht mehr begriff, als dass dieses seltsame Zwitterwesen bei den Indios als mächtiger und gefährlicher Dämon gelte, dass er des Nachts in den entlegenen Dörfern der Selva Kinder stehle, und dass es vollkommen unmöglich sei, sich vor ihm zu schützen, geschweige denn ihn zu töten.
Dass ich sogleich an jenen furchtbaren Schrei denken musste und Juan Nachi Cocom fragte, ob nicht ein Jaguar in der letzten Nacht unweit unseres Lagers gebrüllt habe, was jener aber verneinte und behauptete, er könne das Brüllen einer gewöhnlichen Wildkatze ohne zu zögern und ohne Irrtum erkennen. Dass aber jener Schrei, der aus der Selva tags zuvor erklungen sei, ihn vor allem an seine frühe Kindheit erinnert habe; damals habe ihn seine Mutter, wann immer dieses nächtliche Geräusch erklang, in der sichersten Ecke ihrer Hütte verborgen und den Eingang versperrt, und sein Vater sei mit einer Lampe hinausgegangen, in der Hand einen besonderen, verzauberten Speer, welcher nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Geister töten könne.
Dass ich aber noch immer nicht glaubte, dass Hernán González sich selbst erhängt habe, und auch nicht, dass er von irgendwelchen Indiogöttern ins Verderben gestoßen worden sei, vielmehr glaubte ich weiter, dass er von Vasco de Aguilar erdrosselt worden sei. Dass aber die Ereignisse der nächsten Tage bestimmen sollten, wer von uns beiden Recht hatte und wer irrte.
Dass wir so den ganzen Tag über marschierten, jedoch nur sehr langsam vorankamen wegen der Müdigkeit, die uns ergriffen hatte. Dass uns am Ende des folgenden Tages ein neues Unglück widerfuhr, da zwei der schwächeren Soldaten, Francisco Balbona und Felipe Alvarez, im Fieberwahn zu sprechen begannen und wiederholten, dass sie vor uns zwei riesige, furchterregende Gestalten aufragen sähen, die sie für Wächter einer geheimnisvollen Pforte hielten.
Dass weder ich noch Fray Joaquín noch Vasco de Aguilar noch unser Wegführer etwas in der Art sehen konnten und wir daher unseren Soldaten unter Androhung strenger Strafen befahlen weiterzugehen. Dass einer der beiden, nämlich Felipe Alvarez, sich fügte, obgleich Vasco de Aguilar ihn dazu prügeln musste; dass der Zweite jedoch, Francisco Balbona, mit lauter Stimme die Hilfe der Heiligen Gottesmutter zu erflehen begann und sodann in entgegengesetzter Richtung davonstürzte. Dass es unmöglich war, ihm Einhalt zu gebieten, da er überaus schnell lief und bereits nach wenigen Minuten hinter einer Biegung des ›sakbe‹ verschwunden war. Dass aber nur einen Augenblick später von dort ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte, von dem
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