Sumerki - Daemmerung Roman
der Tante jede Menge, aber von dem … nur die Krallen an der Tür … warum bei dem da … weiß er was …«
Ich zog mir eine Trainingshose an und kehrte ins Treppenhaus zurück. Die beiden schienen ihre Taktik festgezurrt zu haben.
»Wir lassen Sie jetzt erst mal in Ruhe. Denken Sie noch mal nach und versuchen Sie sich zu erinnern. Auch Dimedrol löst sich irgendwann mal auf. Geben Sie uns Ihre Nummer
und schreiben Sie sich unsere auf. Sorgen Sie dafür, dass Sie erreichbar bleiben. Und noch etwas: Wir haben den Eindruck, dass jemand versucht hat, auch an Sie ranzukommen. Sie wissen ja, wie heißt es so schön: ›Die Miliz - dein Freund und Helfer.‹ Glauben Sie nicht, dass uns dieser Fall hier egal ist, schließlich müssen wir ja Berichte schreiben. Und zwei ungeklärte Mordfälle in einem Haus sind für uns schlechter als einer … Na dann, frohes Fest«, sagte er abschließend und schnippte mir seine Kippe vor die Füße.
Ich schloss die Tür. Natürlich hatte ich nicht die Absicht, einfach zu verschwinden. Doch musste ich mir bedrückt eingestehen, dass ich nicht sicher sein konnte, immer »erreichbar zu bleiben«.
Sie waren der Wahrheit ziemlich nahe gekommen, auch wenn es nicht um einen Tiger, sondern um einen Jaguar ging. Meine Vermutungen bezüglich der nächtlichen Vorfälle hatte ich ihnen jedoch nicht mitgeteilt. Selbst wenn ihr knochentrockener Verstand wider Erwarten in der Lage wäre, meine Erklärung der Vorfälle aufzunehmen und zu glauben - was brachte das? Die Dienstvorschriften des Innenministeriums enthielten keinerlei Instruktionen für den Kampf gegen metamorphe Maya-Dämonen. Wahrscheinlich halfen hier weder Silberkugeln noch all die anderen aus der europäischen Mythologie bekannten Mittelchen.
Die Gefahr war realer als je zuvor. Meine arme Nachbarin hatte teuer dafür bezahlt, dass sie als Erste ihre Wohnung verlassen hatte, denn das Erdbeben setzte genau in dem Augenblick ein, als das Ungeheuer sich draußen bereitmachte, um mich zu erledigen. Mein Abenteuer hatte das Leben eines völlig unschuldigen Menschen gefordert, und
das allein war Grund genug, meine künftige Strategie zu überdenken.
Außerdem hatte ich Angst bekommen. Es schien mir, als hätte ich eine Grenze überschritten. Zuvor hatte ich noch eine Wahl gehabt, das war jetzt vorbei. Als hätte ich von einer Seilbrücke aus einen tief unter mir liegenden Fluss betrachten wollen, und nun war die Brücke eingerissen, und die reißende Strömung zog mich unerbittlich mit sich. Doch dann redete ich mir wieder ein, ich könne immer noch jederzeit aussteigen, es mir anders überlegen, mich zurückziehen, mich retten.
Ich konnte nicht mehr einschlafen, obwohl ich nur wenige Stunden Nachtruhe gehabt hatte. Den ganzen Morgen über verbrachte ich mit Besen und Putzlappen, um den Boden zu kehren, den Staub von den Möbeln zu wischen und die Wohnung von dem abgesplitterten Putz zu befreien. Ich tat dies so gründlich, als könnte ich auf diese Weise auch die Spuren des Erdbebens aus meinem Gedächtnis tilgen, weiterhin die Augen vor den offensichtlichen Beweisen meiner Hypothese verschließen, bei den Dämonen um Verzeihung bitten und zu meinem gewohnten Leben zurückkehren.
Als meine Wohnung wieder ihre vorherige Gestalt zurückgewonnen hatte (nur die Decke musste noch ausgebessert und gestrichen werden), hatte ich gerade wieder einmal beschlossen, nicht mehr an dem Buch weiterzuarbeiten. Ein sanftes Klingeln ertönte aus dem Flur. Das Telefon.
»Dmitri Alexejewitsch?« Es war die Stimme einer jungen Frau.
Ich war sofort überzeugt, dass sie sehr gut aussah; ein derart beflügelndes Timbre hatten normalerweise nur die Moderatorinnen des Frühstücksradios. Wahrscheinlich wählte man für diese schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe nur die Besten im ganzen Land aus, damit sie mit Sanftmut und Behutsamkeit die unausgeschlafenen, verkaterten Mitbürger aufweckten. Noch bevor sie irgendetwas gesagt hatte, wusste ich, dass ich mich mit allem einverstanden erklären würde.
»Übersetzungsbüro Akab Tsin hier. Wir hätten einen neuen Auftrag für Sie. Könnten Sie vorbeikommen, sobald Sie den vorigen fertiggestellt haben? Wenn möglich, bitte noch vor dem 31., denn über Neujahr haben wir geschlossen wegen der Rituale.«
»In Ordnung«, antwortete ich mechanisch.
»Wunderbar. Dann rechnen wir also mit Ihnen.« Ihre Stimme klang wohlwollend, fast zärtlich, als wäre ich mit der Telefonseelsorge verbunden.
Nachdem sie
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