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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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er mir sofort unsympathisch. Und in den folgenden Minuten tat er alles, um diesen Eindruck zu bestätigen.
    »Was ist das, bitteschön?«, fragte er in einem Tonfall, mit dem man seinen Kater rügt, wenn er wieder mal sein Geschäft
in die Pantoffeln gemacht hat. Er deutete auf die Außenseite meiner Wohnungstür.
    Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, denn ich ahnte bereits, was ich dort erblicken würde. Vorsichtig trat ich aus der Wohnung heraus, lehnte die Tür an und betrachtete sie.
    Über die ganze Fläche zogen sich tiefe Furchen, die exakt wie die Kratzspuren riesiger Krallen aussahen, jedoch nur, wenn man bereit war, den Werkstoffwiderstand meiner Tür als Kokolores abzutun, und verhornte Hautzellen für härter hielt als Stahl.
    Schweigend breitete ich die Hände aus und setzte eine verdutzte Miene auf, um etwas Zeit zu gewinnen. Für diesen Zustand meiner Tür fiel mir auf die Schnelle keine auch nur annähernd glaubhafte Erklärung ein, und einen Milizionär einfach so anzulügen, schien mir doch etwas gewagt.
    Nabattschikow klopfte sich eine Zigarette aus einem Päckchen, schnalzte mit einem Metallfeuerzeug, inhalierte und blickte mich prüfend an. Er hatte unfreundliche, tiefsitzende Augen unter schweren, wulstigen Brauen, die an die Schlitze in einem Panzer erinnerten. Nachdem er eine dichte Tabakwolke produziert hatte, brachte er sich in Gefechtsstellung, spuckte in den weißen Staub und ging zum Angriff über.
    »Wie war die Nacht?«
    »Ziemlich aufregend. Hat ja ganz schön gewackelt.«
    »Sonst haben Sie nichts gehört? Schreie? Seltsame Geräusche?«
    »Draußen auf der Straße haben, glaube ich, Leute geschrien, aber ich habe nicht richtig darauf geachtet. Na ja,
bei einem Erdbeben. Wissen Sie …« Endlich spürte ich, dass die Muse der Fantasie auf meiner Schulter Platz genommen hatte. »Die letzten Tage habe ich schlecht geschlafen, und deswegen habe ich gestern ein paar Tabletten genommen. Ich hab wohl etwas zu viel erwischt, denn als es gekracht hat, konnte ich nicht aufstehen. Es war alles wie im Traum. Bis eben gerade, als Sie mich aufgeweckt haben, habe ich gedacht, ich hätte mir das alles nur eingebildet. Dimedrol hab ich genommen«, fügte ich zur Sicherheit hinzu.
    Bis dahin hatte der Major mit seinem bulligen Körper die Sicht zum Treppenabgang hin versperrt. Nun trat er zurück, und mir verschlug es den Atem: Auf dem Absatz zwischen meinem und dem unteren Stockwerk war ein riesiger, dunkelroter Fleck zu sehen, dessen Konturen jemand mit Kreide nachgezeichnet hatte.
    Nabattschikow deutete mit dem Kopf auf den Fleck und schnippte sich etwas Asche von der Jacke. »Ihre Nachbarin. Völlig zerfetzt, mit aufgeschlitztem Brustkorb. Pikanterweise fehlt ihr Herz. Das waren nicht zufällig Sie?« Ohne den Anflug eines Lächelns fügte er hinzu: »Ich scherze natürlich.«
    »Mein Gott …« Ich rieb mir die Augen und merkte dabei, dass auch mein Gesicht voller Kalk war. Ein Kratzen im Hals machte sich bemerkbar.
    Die Tür zur Nachbarwohnung öffnete sich, und ein weiterer Ermittler kam zum Vorschein, schlaksig, dunkelhaarig, mit spitzem Adamsapfel - äußerlich das Gegenteil von Nabattschikow, und doch irgendwie der gleiche Typ Mensch. Das GUWD und überhaupt alle Behörden, die man in unserem Land ja mit einem gewissen Sinn für Ironie ganz anatomisch
als »Organe« bezeichnet, schienen die Aura ihrer Mitarbeiter auf eine ganz bestimmte Weise zu prägen. Eigentlich hatten sie es nicht nötig, den Bürgern ihre Dienstausweise zu zeigen - sie kündigten sich vielmehr von selbst an, sozusagen auf der Astralebene.
    »Ich kapier das nicht«, raunte der zweite Milizionär dem Major zu. »Die Tür steht offen, die Wohnung ist völlig unberührt. Die Spuren im Staub führen bis zur Eingangstür. Du hast es ja selbst gesehen, und wir haben ja auch noch die Aufnahmen - die Abdrücke ihrer Pantoffeln hier draußen und dann die Schleifspur auf der Treppe.« Plötzlich runzelte der Beamte die Stirn und blickte mich an. »Hören Sie gefälligst weg, das geht Sie gar nichts an!«
    »Dann wasche ich mich kurz, wenn Sie gestatten.«
    Ich ließ das Wasser nur ganz schwach laufen, damit es die Gesprächsfetzen, die von der offenen Tür hereinkamen, nicht übertönte.
    »… das erinnert doch … wie wenn ein Tiger seinen Dompteur … ich mal mitgekriegt, als ich noch … hier kein Mensch … Zirkus, beim Zoo anrufen … die sich so reiche Spinner in der Wohnung halten …«
    »… keine Spuren … von

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