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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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erwachte und setzte mich auf. Durch das nächtliche Halbdunkel blickte ich in den Flur, exakt zu der Stelle hinüber, die vor einem Augenblick noch mein Hund von der Küche aus fixiert hatte. Einige Sekunden lang ließ mich das Gefühl nicht los, dass sich dort tatsächlich jemand befand, und dass er, oder es , genauso aufmerksam in meine Richtung starrte, mit dem Unterschied, dass ich blind war, und es mich sehen konnte …
    Dieser Traum war so erschütternd, dass er mir noch lange durch den Kopf ging. Zum einen hatte ich nicht erwartet, dass die indianischen Götter so rücksichtslos in mein Allerheiligstes - mein letztes Refugium - eindringen würden. Zum anderen verlieh die Anwesenheit meines Hundes diesem absurden Alptraum seltsamerweise mehr Glaubwürdigkeit und verdeutlichte mir den ganzen Ernst der Lage. Zum ersten Mal hatte mein treuer Begleiter den Fluss des Vergessens durchschwommen, um mich vor einer Gefahr zu warnen, und ich durfte mich seiner Warnung nicht verschließen.
     
    »Dmitri Alexejewitsch, sind Sie zu Hause? Haben Sie auch keinen Strom mehr? Das war doch nicht etwa ein Erdbeben? Wie furchtbar! Dmitri Alexejewitsch …«
    Aus dem Treppenhaus drang gedämpft die Stimme der Nachbarin an mein Ohr - derselben, die mich neulich für die Schmiererei an der Tür gerügt hatte.
    Vorsichtig um mich tastend erhob ich mich und ging los, halb gebückt, die Hände vor mich gestreckt, zum Schutz vor irgendwelchen körperlosen Ungeheuern, die mir auflauern mochten. Wenigstens eine lebende Seele in diesem
Reich der Finsternis! Nichts war mir jetzt wichtiger als einen gewöhnlichen Menschen zu sehen oder wenigstens zu hören, jemanden aus Fleisch und Blut, mit dem ich ein paar Worte wechseln, das Geschehene diskutieren, einfach nur spüren konnte, dass ich nicht allein war, dass das alles nicht nur mir passierte …
    »Ich komme schon! Verdammter Stromausfall, man sieht überhaupt nichts.« Ich stieß mit der Schulter gegen den Türrahmen und hätte beinahe wieder das Gleichgewicht verloren.
    Es knirschte scheußlich, als meine Pantoffeln den Putz, der von der Decke aufs Parkett gefallen war, zu Staub zerrieben. Meine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, und die Umrisse der Gegenstände kamen erst allmählich zum Vorschein, wie die Konturen eines Fotos im Entwicklungsbad.
    »Dmitri Alexejewitsch, sind Sie zu Hause?«
    »Ja!«, rief ich und versuchte mich aus der Schlinge eines Telefonkabels zu befreien. »Ich mache gleich auf, Serafima Antonowna!«
    »Haben Sie auch keinen Strom mehr? Das war doch nicht etwa ein Erdbeben?«
    »Im ganzen Haus ist der Strom weg. Und rundherum auch!«, stieß ich willkürlich hervor, während sich meine Hände Richtung Türschloss vortasteten. »Das war mindestens Stufe vier auf der Richterskala.«
    »Wie furchtbar! Dmitri Alexejewitsch …«
    Versuchen Sie mal, in einem dunklen Zimmer den Lichtschalter zu finden. Sie mögen die Entfernungen in Ihrer Wohnung noch so gut kennen und den Schalter viele Tausend
Mal betätigt haben - im Stockfinstern werden Sie ihn trotzdem nicht gleich ertasten. Genauso ging es mir jetzt mit diesem verflixten Türschloss …
    »Dmitri Alexejewitsch, sind Sie zu Hause?«, erkundigte sich die Nachbarin erneut mit ängstlicher Stimme.
    »Ja, ja, ich bin da!«, schrie ich ihr entgegen, verärgert über ihre plötzliche Taubheit (wie oft hatte ich sie dabei ertappt, wie sie die Nachbarn durchs Schlüsselloch belauschte), aber auch über meine eigene Langsamkeit und Ungeschicktheit.
    »Haben Sie auch keinen Strom mehr?«
    Fürchtete sie sich? Ihr Tonfall war noch immer genau der gleiche. Was zum Teufel … Ich hielt inne, lehnte mich an das Türpolster und horchte.
    »Das war doch nicht etwa ein Erdbeben?«
    Es war keine Vermutung, kein Vorgefühl, kein Verdacht - es war eine plötzliche Gewissheit, die meinen ganzen Körper schlagartig wie eine kalte, zähe Flüssigkeit erfüllte und in mir augenblicklich den panischen Wunsch wachrief, wegzulaufen, mich irgendwo zu verstecken - im Schrank, hinter dem Sofa, wo ich zitternd darauf hoffen würde, dass die Gefahr vorüberginge, ohne mich ernsthaft zu verletzen.
    »Wie furchtbar! Dmitri Alexejewitsch …«
    Ich wich zurück und begann mich in die Küche zurückzuziehen, während jener, der sich dort im Treppenhaus verbarg, wieder und wieder seine grauenhafte Platte abspielte.
    »Dmitri Alexejewitsch, sind Sie zu Hause? Haben Sie auch keinen Strom mehr? Das war doch nicht etwa ein Erdbeben?

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