Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
verdeckten Toreinfahrt finde. Als ich völlig außer Atem davorstehe, habe ich das Gefühl, jeden einzelnen Muskel in meinem Körper zu spüren. Verzweifelt hämmere ich gegen die Tür und lasse mich, als niemand öfnet, erschöpft auf die Treppe sinken.
Verdammt noch mal, wo steckt dieser Mistkerl bloß? Er muss einfach zu Hause sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er abgesehen von seinem Dozentenjob und gelegentlichen Afären
mit irgendwelchen gutgläubigen Studentinnen so etwas wie ein Leben hat und sich mit Freunden trifft. Ich stehe auf und trete wütend gegen die Tür. Als auch diesmal alles still bleibt, werfe ich einen Blick durchs Fenster in das Apartment.
Im Inneren ist es dunkel und plötzlich bilde ich mir ein, einen leichten Verwesungsgeruch wahrzunehmen. Aber das ist nicht weiter verwunderlich. Viktor ist ein altes Ferkel.
Mein Blick fällt auf drei Zeitungen, die vor der Haustür liegen. Und wenn er weggefahren ist? Ich spähe noch einmal durchs Fenster und frage mich, ob der unangenehme Geruch möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass Viktor tot ist. Vielleicht hatte er ja einen Herzinfarkt und da er keine Freunde hat, ist bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen, nach ihm zu sehen.
Ich klopfe an die Fensterscheibe, was natürlich völlig sinnlos ist. Plötzlich überzeugt davon, dass Viktor tatsächlich etwas zugestoßen ist, sehe ich mich nach etwas um, mit dem ich das Glas einschlagen kann und halte wenig später wurfereit einen Stein über meinen Kopf, den ich aus dem Pflaster gelöst habe.
»Wollen Sie zu Viktor?«, fragt genau in dem Moment eine Stimme hinter mir.
Ich lasse den Stein sinken und drehe mich um.
Die Stimme gehört einer älteren Dame, die eine angeleinte Katze mit sich führt. Sie kommt vorsichtig näher und bückt sich umständlich nach den Zeitungen. »Viktor ist für ein paar Tage verreist«, sagt sie. »Ich sehe so lange hier nach dem Rechten und sammle seine Zeitungen ein. Hier treibt sich eine Menge Gesindel herum.«
Ich lasse den Pflasterstein verstohlen fallen. »Wissen Sie, wann er wiederkommt?«
Sie kneift die Augen zusammen und denkt nach. »Ich glaube, am Freitag. Seine Mutter ist gestorben. Der arme Kerl. Er ist in den Mittleren Westen gefahren, wo er herkommt, um sie zu beerdigen.«
»Am Freitag?« Ich gehe wie in Trance einen Schritt auf sie zu und wäre beinahe über den Pflasterstein gestolpert, wenn es mir nicht im letzten Moment gelungen wäre, mich an einer Efeuranke festzuhalten.
Die Dame nickt. »Ja, das hat er gesagt – Freitag.«
Die Ausweglosigkeit meiner Situation trifft mich mit der Wucht einer Lkw-Ladung Zement. »Aber das ist zu spät!«, wimmere ich verzweifelt, lasse die Ranke los und sinke in mich zusammen.
»Küken?«, fragt Samantha und kommt ins Wohnzimmer. »Was treibst du da eigentlich?«
»Hm?«
»Du sitzt jetzt schon seit über einer Stunde mit apathisch heruntergeklapptem Kiefer hier herum, was – nebenbei bemerkt – nicht gerade attraktiv aussieht.«
Sie mustert mich streng. Als ich ihr keine Antwort gebe, beugt sie sich vor und klopft gegen meine Stirn. »Hallo? Jemand zu Hause?«
Ich reiße den Blick von der Wand los, die ich bis dahin angestarrt habe, und sehe sie an.
»Ich habe eine Idee, wie wir dich ablenken können.« Sie wedelt mit einem Bündel aus Zeitungen herausgerissener Seiten vor meinem Gesicht herum. »Wir schreiben zusammen einen Text für meine Verlobungsanzeige in der New York Times. Du bist Schriftstellerin. So was schüttelst du doch aus dem Ärmel.«
»Ich bin keine Schriftstellerin. Nicht mehr«, antworte ich düster.
»Sei nicht albern. Wer wird denn wegen so eines kleinen Rückschlags gleich den Kopf hängen lassen?« Sie setzt sich mit den Zeitungsseiten in der Hand neben mich. »Seit Mai sammle ich jetzt schon den Teil mit den Hochzeits- und Verlobungsanzeigen aus der New York Times. Auch bekannt als ›der Sportteil der Frauen‹.«
Ich hebe den Kopf. »Und wen interessiert das?«
»Jeden, der in New York Rang und Namen hat, Kindchen«, erklärt sie geduldig, als würde sie sich mit einer Fünfjährigen unterhalten. »Das Besondere daran ist nämlich, dass nicht jeder seine Verlobung in der Times bekannt geben darf. Der Bräutigam muss an einer Eliteuniversität studiert haben und sowohl er als auch die Braut sollten aus einer einflussreichen Familie stammen. Altes Geld ist natürlich am besten, aber neues tut es auch. Oder Prominenz. Wenn die Braut zum Beispiel einen
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