Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
kleine Kröte, wer du bist oder was du kannst, sondern ganz allein du!«
Obwohl ich weiß, dass sie recht haben, fühle ich mich plötzlich, als wäre ich gescheitert. Am Leben und dem niemals endenden Kampf, das Beste daraus zu machen. Warum muss eigentlich immer alles so kompliziert sein?
»Hast du mein Stück gelesen?«, frage ich Miranda.
Sie wird rot. »Ich wollte es lesen, ganz ehrlich«, sagt sie mit einer Stimme, die vor lauter schlechtem Gewissen unnatürlich hoch ist. »Aber ich hatte so einen Stress, dass ich noch nicht dazu gekommen bin. Ich lese es gleich heute Abend. Versprochen! «
»Dann ist es zu spät«, seufze ich frustriert. »Ich habe Bobby versprochen, dass er es lesen darf. Hast du es dabei? Dann kann ich es ihm morgen gleich vorbeibringen.«
»Jetzt sei bitte nicht sauer.«
»Bin ich nicht.«
»Ich geb’s dir gleich« Sie öfnet ihren Rucksack, wühlt darin herum und späht verwirrt hinein. Dann greift sie nach der Saks-Tasche und schüttet ihren Inhalt auf den Tisch. »Ich war mir sicher, dass … Wahrscheinlich hab ich es zu den Broschüren und den Flyern gesteckt. Es muss doch hier irgendwo …«
»Du hast mein Stück mit zu Saks genommen?«, frage ich fassungslos, während Miranda mit wachsender Panik das Infomaterial ihrer PorNo-Kampagne durchsucht.
»Ich wollte es lesen, wenn es etwas ruhiger ist. Ach, da ist es ja«, ruft sie erleichtert und hält ein paar Seiten hoch.
Ich zähle die Blätter hastig durch. »Wo ist der Rest? Das ist nur das erste Drittel.«
»Der muss hier …«, murmelt sie und sucht wieder hektisch zwischen den Papieren. Ich helfe ihr und lege die Broschüren alle ordentlich auf einen Stapel. Aber die fehlenden Seiten sind nicht dabei.
»Oh mein Gott.« Miranda lässt sich in ihren Stuhl zurückfallen und guckt zerknirscht. »Carrie, es tut mir leid. Da war gestern so ein Typ, über den ich mich furchtbar aufgeregt habe, weil er einfach einen ganzen Stapel Broschüren geschnappt und damit
abgehauen ist. Wahrscheinlich lag der Rest deines Manuskripts dazwischen.«
Ich höre auf zu atmen. So fühlt es sich also an, wenn das eigene Leben, sich von einer Sekunde auf die andere in einen Trümmerhaufen verwandelt.
»Aber du hast doch bestimmt eine Kopie davon gemacht«, sagt Samantha und lächelt mich beruhigend an.
»Die habe ich meinem Professor gegeben.«
»Na also«, sagt Miranda, als wäre damit alles wieder in bester Ordnung.
Ich greife nach meiner Tasche. »Ich muss los«, krächze ich mit plötzlich wie ausgedörrter Kehle.
Verdammter Mist … und alle anderen Kraftausdrücke, die mir sonst noch einfallen!
Wenn mein Stück weg ist, bleibt mir nichts mehr. Dann muss ich die Lesung absagen und mein Leben ist vorbei.
Aber Viktor hat die Kopie ganz sicher. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich sie ihm gegeben habe. Er muss sie noch haben. Kein Dozent würde die Arbeit einer Studentin einfach so wegwerfen – oder?
Ich laufe atemlos durchs West Village, ignoriere rote Ampeln und stoße auf meinem Weg zur New School mehrmals beinahe mit anderen Passanten zusammen.
Als ich keuchend vor dem Gebäude angekommen bin, rase ich immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf und drücke, ohne anzuklopfen, die Klinke der Tür zu Viktors Büro herunter.
Sie ist abgeschlossen.
Ich blicke mich panisch um, stolpere die Treppe wieder hinunter
und renne dann den ganzen Weg zu Samanthas Wohnung zurück.
Sie liegt im Bett und liest irgendeine Modezeitschrift. »Carrie? Sag mal, wie fandest du das, was Miranda vorhin zu mir gesagt hat? Wegen Charlie? Meinst du nicht auch, dass die Bemerkung ziemlich unangebracht war …?«
»Hm? Ja, ja«, rufe ich aus der Küche, während ich in den Schubladen hektisch nach dem Telefonbuch suche.
»Hast du dein Manuskript wieder?«
»Nein!«, schreie ich und blättere mit fliegenden Fingern durch das Telefonbuch.
Tief ein- und ausatmen, ermahne ich mich stumm, und jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Da! Ich habe ihn gefunden: Viktor Greene und darunter steht seine Adresse in Greenwich Village.
»Carrie?«, ruft Samantha mir hinterher, als ich schon wieder auf dem Weg nach draußen bin. »Könntest du mir nachher was vom Chinesen mitbringen? Oder nein, vielleicht doch lieber Pizza. Mit Salami. Aber ohne extra Käse. Hörst du? Ohne extra Käse, das ist ganz wichtig …«
Aaahhh!!!
Ich muss die schmale Gasse zweimal auf und ab laufen, bevor ich das Haus endlich hinter einer von wucherndem Efeu
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