Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Teil deines Theaterstücks verloren hast. Du bist doch angeblich so eine tolle Schriftstellerin – warum schreibst du nicht einfach ein neues?«
»Weil das so nicht funktioniert«, schreie ich heiser zurück. »Es hat mich einen Monat gekostet, dieses Stück zu schreiben. Einen ganzen Monat, verstehst du? Niemand kann sich einfach hinsetzen und ein komplettes Theaterstück in drei Tagen runterschreiben. Man muss darüber nachdenken und …«
»Schön. Wenn du aufgeben willst, bitte.« Sie rauscht in ihr Zimmer, dreht sich an der Tür jedoch noch einmal aufgebracht zu mir herum. »Aber wenn du dich schon unbedingt wie eine Versagerin auführen musst, dann untersteh dich gefälligst, mich zu kritisieren!«, schreit sie und knallt die Tür hinter sich zu.
Ich vergrabe den Kopf in den Händen. Samantha hat recht. Ich habe ja selbst von mir die Nase voll. Von mir und meiner
Unfähigkeit. Es wäre das Beste, wenn ich meine Sachen packen und nach Hause fahren würde.
So wie L’il. Und all die anderen Heerscharen junger Menschen, die es in New York zu etwas bringen wollten und gescheitert sind.
Plötzlich steigt eine ungeheure Wut in mir hoch. Ich marschiere zu Samanthas Zimmer und hämmere gegen die Tür.
»Was?«, blafft sie, als ich sie aufmache.
»Warum fängst du eigentlich nicht noch mal von vorne an?«, brülle ich.
»Ach? Und was ist mit dir?«
»Oh, keine Sorge. Ich werde von vorne anfangen!«
»Gut.«
Ich knalle die Tür wieder zu, gehe wie in Trance zum Tisch und setze mich an die Schreibmaschine. Dann reiße ich Samanthas erfundene Anzeige heraus, zerknülle sie zu einem kleinen Papierball, werfe ihn quer durchs Zimmer und ziehe ein leeres Blatt ein. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass mir bis zu meiner Lesung am Donnerstag noch exakt vierundsiebzig Stunden bleiben. Diese Lesung wird stattfinden. Ich werde ein neues Stück schreiben, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.
Am Donnerstagmorgen reißt das Farbband meiner Schreibmaschine. Wie betäubt schaue ich mich zwischen den leeren Bonbonpapierchen, den ausgetrockneten Teebeuteln und fetttriefenden Pizzaresten im Zimmer um.
Es ist mein Geburtstag. Ich bin endlich achtzehn.
35
Meine Hände zittern, als ich unter die Dusche steige.
Die Shampooflasche rutscht mir aus den Fingern und ich kann sie gerade noch rechtzeitig aufangen, bevor sie auf die Fliesen knallt. Den Kopf in den Nacken gelegt, atme ich tief durch und lasse mir das Wasser aufs Gesicht prasseln.
Ich habe es getan. Ich habe es tatsächlich getan.
Aber das Wasser kann nicht abwaschen, wie ich mich tatsächlich fühle: schwach, mit brennenden roten Augen und völlig erschöpft.
Ich werde nie erfahren, was passiert wäre, wenn Miranda mein Stück nicht verloren und ich es nicht noch einmal hätte neu schreiben müssen. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht geworden ist. Ich weiß nicht, ob man es feiern oder in der Luft zerreißen wird. Aber: Ich habe es getan. Jedenfalls habe ich es zumindest versucht.
Ich steige aus der Dusche, wickle mich in ein Badetuch und betrachte mich im Spiegel. Ich sehe so abgespannt und hohlwangig aus, als hätte ich seit drei Tagen nicht geschlafen. So habe ich mir meinen ersten großen Auftritt in New York nicht vorgestellt, aber ich werde das Beste daraus machen. Was bleibt mir auch anderes übrig?
Ich ziehe die roten Latex-Hotpants, den chinesischen Morgenrock und Samanthas alte Fiorucci-Stiefel an. Vielleicht kann ich es mir eines Tages wie Samantha leisten, mir selbst welche zu kaufen.
Samantha. Sie ist am Dienstagmorgen wieder zur Arbeit gegangen
und seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Miranda hat sich auch nicht mehr gemeldet. Wahrscheinlich hat sie Angst, dass ich ihr nie mehr verzeihen werde.
Aber das werde ich. So wie ich hofe, dass Samantha mir verzeihen wird.
»Da bist du ja«, ruft Bobby aufgekratzt. »Und auch noch pünktlich auf die Minute.«
»Wenn du wüsstest«, murmle ich.
»Aufgeregt?« Er wippt auf den Zehen auf und ab.
»Nervös.« Ich bringe ein schwaches Lächeln zustande. »Stimmt es, dass du den David zerstören wolltest?«
Er runzelt die Stirn. »Wer hat dir das erzählt?«
Ich zucke mit den Achseln.
»Wen interessiert das schon. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Komm mit, genehmigen wir uns stattdessen lieber erst mal ein Schlückchen Champagner.«
Ich folge ihm in die Küche und trage meine Werkzeugtasche wie einen Minischutzwall zwischen uns, um zu verhindern, dass er einen erneuten
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