Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
glamouröses Leben führen und das Schreiben sei eine Kunstform, mit der es sich relativ einfach berühmt werden lässt. Aber das ist ein Irrtum. Schreiben ist die reinste Knochenarbeit. Die meisten Schriftsteller schuften jahrelang im Verborgenen und trotzdem werden nur die wenigsten so erfolgreich, wie sie es sich wünschen.«
Schriftsteller wie Sie?, denke ich, sage aber: »Davor habe ich keine Angst, Mr Greene.«
Er tätschelt betrübt seinen Schnurrbart.
»Ähm … wollten Sie sonst noch etwas mit mir besprechen?«, frage ich und stehe auf.
»Nein«, antwortet er. »Das war alles.«
»Dann bis Mittwoch«, murmle ich verzagt und ziehe leise seine Bürotür hinter mir zu.
Aber als ich auf den Flur hinaustrete, zittere ich vor Wut.
Warum eigentlich nicht?, frage ich mich. Was ist so falsch daran zu glauben, ich könnte eine berühmte Schriftstellerin werden? Warum soll ich mir nicht vornehmen, eines Tages als Frau genauso erfolgreich zu sein wie zum Beispiel Norman Mailer, Philip Roth, F. Scott Fitzgerald, Hemingway und all die anderen Männer, die es geschafft haben? Und welchen Sinn hätte es, Schriftsteller werden zu wollen, wenn man schon von vornherein davon ausgeht, dass sowieso nie jemand lesen wird, was man schreibt?
Ich will mich von Viktor Greene nicht einschüchtern lassen und ständig das Gefühl haben, mich rechtfertigen zu müssen. Warum kann ich nicht so talentiert sein wie L’il, die von allen Seiten mit Lob überschüttet und in dem, was sie tut, ermutigt wird? Oder wie Rainbow, die Erfolg praktisch als ihr Geburtsrecht betrachtet. Bei ihr ist Viktor Greene bestimmt nicht auf die Idee gekommen, sie zu fragen, warum sie Schriftstellerin werden will.
Und was, wenn er mit seiner Einschätzung recht hat? Wenn ich tatsächlich nicht das Zeug zur Schriftstellerin habe? Ich bekomme es ja noch nicht einmal auf die Reihe, eine kleine Kurzgeschichte zu Ende zu schreiben.
Kaum habe ich das Gebäude verlassen, zünde ich mir eine Zigarette an, inhaliere gierig den Rauch und laufe dann weiter vor mich hin brütend den Broadway entlang.
Wozu bin ich überhaupt nach New York gekommen? Was ist bloß in mich gefahren, mir einzubilden, ich könnte es hier schaffen? Es ist eine Sache, für eine Schülerzeitung zu schreiben, aber hier in New York gelten ganz andere Maßstäbe. Diese Stadt ist wie der verdammte Mount Everest – nur den Besten und Ehrgeizigsten gelingt es, den Gipfel zu erklimmen, während hofnungslose Träumer wie ich versuchen, ihnen hinterherzuklettern, obwohl ihnen von Leuten wie Viktor Greene immer wieder gesagt wird, dass sie die Spitze niemals erreichen werden.
Mir ist speiübel. Wütend werfe ich meine aufgerauchte Zigarette – es ist mittlerweile die fünfte – auf den Asphalt und zermalme sie unter meinem Absatz. Genau in dem Moment rast ein Feuerwehrwagen an mir vorbei und gemeinsam mit seinen heulenden Sirenen brülle ich meine ganze Wut und Frustration heraus. »VERDAMMTE SCHEISSE!«
Ein paar Leute werfen mir neugierige Blicke zu, aber ich beachte sie gar nicht. Sollen sie mich doch ruhig für eine von den unzähligen Verrückten auf den Straßen New Yorks halten.
Grimmig stapfe ich nach Hause, stürme immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe zum Apartment hinauf, schließe die drei Sicherheitsschlösser an der Tür auf und lasse mich erschöpft auf Samanthas Bett fallen. Aber auch hier fühle ich mich sofort wieder wie ein Eindringling. Es ist ein riesiges Himmelbett mit einer schwarzen Überdecke und Bettwäsche aus einem speziellen Material, auf das Samantha schwört, weil es angeblich der nächtlichen Faltenbildung entgegenwirkt. Sie spricht immer von ihrer »Seidenbettwäsche«, in Wirklichkeit ist sie aus Polyester und so glatt, dass ich einen Fuß gegen den Bettpfosten stemmen muss, um nicht auf den Boden zu rutschen.
Ich taste nach einem Kissen, lege es mir aufs Gesicht und lasse
das Gespräch mit Viktor Greene noch einmal in Gedanken Revue passieren. Dann denke ich an Bernard und komme schließlich zu dem Schluss, dass ich ganz allein bin. Dass ich mich immer wieder aus eigener Kraft aus den tiefen Tälern der Verzweiflung emporkämpfen, mich immer wieder aufs Neue dazu anspornen muss, nicht aufzugeben und es noch einmal zu versuchen. Ich wälze mich auf den Bauch und vergrabe stöhnend das Gesicht in den Laken.
Vielleicht sollte ich mich einfach geschlagen geben, nach Hause zurückkehren und in zwei Monaten wie vorgesehen mein Studium an der Brown
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