SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
also noch nicht sehr viel Zeit vergangen seit dem Crash.
Wie komm ich hier weg? Die Typen wollen ihre angefangene Arbeit vollenden. Meine Leute sind auf jeden Fall tot oder schwer verletzt. Wenn nicht vom Aufprall, dann sicherlich in wenigen Minuten, wenn sie ein Fressen des Feuers geworden sind oder hingerichtet werden, was auch immer diese Typen vorhaben. Offensichtlich soll das hier nach einem Unfall aussehen. Mit einem ausgebrannten Wrack, welches man morgen früh ausgekühlt in der Wildnis vorfinden wird.
Perfid – aber clever!
Er wagte kaum, zu atmen.
Ich muss hier weg.
Havering dachte an seine Waffe, seinen Aktenkoffer, sein Telefon. Er tastete nach der Brusttasche seines Jacketts. Die Brieftasche war noch da, die Pillendose ebenfalls, aber seine komplette Ausrüstung befand sich im Wrack. Für die Flüge waren die Waffen stets in dafür vorgesehenen Koffern zu transportieren, und er hatte sie nach der Ankunft in Zürich für die Autofahrt nicht wieder an sich genommen. Seine Unterlagen hatten sich ebenfalls im Kofferraum befunden. Und sein Smartphone, vorher in seiner Hosentasche, war wohl beim Aufprall den Fluss runtergegangen, im wahrsten Sinn des Wortes.
Der Fluss! Das ist der einzige Weg.
Haverings Lage am Ufer und die Masse von Schlamm, mit welcher er überzogen war, verbargen ihn vor den Taschenlampenlichtern des Trupps. Er hatte jedoch keine Zeit zu verlieren.
Bald werden die Jäger ausschwärmen.
Der böenartige Wind, das Rauschen des Flusses, das Rascheln der Blätter in den Baumwipfeln in der Nähe und der Nieselregen trugen mit dazu bei, seine Position verdeckt zu halten.
Aber nicht mehr lange.
Havering bewegte sich langsam auf dem Rücken liegend zum Wasser hin. Er spürte einen harten Gegenstand unter seiner linken Schulter und griff mit seinem unversehrten Arm danach.
Mein PDA! Was für ein Glück. Hoffentlich funktioniert er noch. Moment! Der Fluss. Ich muss etwas drumwickeln.
In der Innentasche seines Jacketts befand sich ein kleiner Plastikbeutel, den er am Flughafen mit ein paar Süßigkeiten darin gekauft hatte. Er stopfte das Smartphone hinein und schaffte es irgendwie, mit der gesunden und der halblahmen Hand die Öffnung des Beutels zu verknoten. Er steckte ihn in seine Hosentasche.
Schritte kamen näher, die Stimmen der Suchenden ebenfalls.
Höchste Zeit, um zu verschwinden.
Seine Füße befanden sich seit geraumer Zeit im eiskalten Wasser, er spürte sie kaum noch. Er schlotterte am ganzen Körper.
Langsam glitt er in das knietiefe Wasser des Stromes, welcher ihn bald erfasste.
Mit seinem gesunden linken Arm bemühte er sich um Balance und hoffte auf sein Glück, um nicht am nächstbesten größeren Felsbrocken hängenzubleiben oder in einen Strudel zu geraten. In seiner Verfassung wäre er kaum in der Lage gewesen sich zu befreien, geschweige denn einer Tiefenströmung entgegenzuwirken.
Der Sog des Bergflusses war an dieser Stelle noch nicht sehr stark, das eiskalte Nass trug ihn im Schritttempo vom Wrack weg.
Das sanfte Rauschen um ihn herum lullte ihn ein, tausend frostige Knochenhände griffen nach seiner Seele, Mäuler voller scharfer eisiger Zähnchen nagten an seinem Fleisch, es zog ihn herab.
Er versuchte, in der Stellung des toten Mannes voranzukommen und sich treiben zu lassen, so gut es ging. Und dabei vorerst noch nicht zu sterben, obwohl es ihm als süße Erlösung schien aus seiner Misere. Mit jeder Sekunde mehr.
Die Kälte hatte auch ihre Gutes. Sie war wie ein Mutterschoß. Die Schmerzen in seinem Knie, seinem rechten Arm und seiner Brust spürte er so gut wie gar nicht mehr. Er spürte eigentlich überhaupt nichts mehr, wenn er es recht bedachte.
Immer weiter hinab wurde er getragen. Anfangs hatte er noch versucht zu realisieren, wie weit weg er schon war von der Einstiegsstelle. Bei geschätzten 200 Schritten hatte er die Fähigkeit eingebüßt, Distanzen wahrzunehmen. Oder waren es 100 gewesen? 300 vielleicht? Sein innerer Widerstand war einer totalen Belämmerung gewichen, er dachte an nichts mehr.
Ich möchte schlafen. Einfach einschlafen, bin müde. Mein Herz kommt zur Ruhe. So still. Wie schön das Rauschen des Flusses ist. So Still.
3
Seine Stirn schlug heftig gegen etwas Kaltes und Kantiges. Havering erwachte aus einem tiefen Zustand der Kälte und des Todes, wie es ihm schien. Er konnte sich kaum noch bewegen.
Er öffnete seine Augen und blickte an einen Felsbrocken, an dessen Kante er mit
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