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SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

Titel: SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Dives
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Phantom.
    Tony riss im letzten Moment die Arme hoch und fing den Todesstoß des Attentäters auf. Das Messer bohrte sich in seinen linken Arm. Tony schrie wie am Spieß. Der Angreifer und er wälzten sich auf dem Korridorboden. Tony staunte über seine eigene Kraft, welche er im Todeskampf entwickelte.
    Vom Verlies her ertönte ein Quietschen, dann ein dumpfes Wummern. Die Tür hatte sich geöffnet. Vince, gefolgt von Havering, kam angebraust. Tony konnte über die Schulter des Attentäters einen Blick auf Vinces wutentbranntes Gesicht erhaschen.
    Mit einem Mal war das Gewicht, die Umklammerung, die Klinge und die schwarze Haube verschwunden.  
    Vince rannte an Tony vorbei den Korridor hinunter.  
    Haverings Gesicht tauchte über Tony auf. «Halt still, ich werd das verbinden! Nicht so schlimm, Fleischwunde. Noch mal Schwein gehabt.»  
    Tony lag immer noch am Boden. Sein Arm fühlte sich an, als wenn eine dicke glühende Nadel quer drinstecken würde. Blut tropfte auf seinen Bauch und lief in Strömen den Oberarm hinunter.  
    Vince kam zurück. «Ich glaub’ das nicht. Der Typ ist einfach verschwunden. Um die Ecke und weg war er. Der hat sich hier unten reichlich umgesehen während wir schliefen, soviel steht fest. Kennt jeden Winkel. Hier sind wir leichte Beute. Wir sollten mit dem Captain sprechen. Aber subito!»
    Havering half Tony beim Aufstehen. Sie packten ihre Beutel zusammen und machten sich auf den weiten Weg nach oben. Nach einigen Irrwegen erreichten sie die Quartiere der Mannschaft und weiter oben die Kapitäns-Kajüte. Mit einem energischen Klopfen machten sie auf sich aufmerksam. Von innen war ein lautes Fluchen, Murren und Scheppern zu hören. Die Tür öffnete sich.  
    «Was zum verdammten Henker macht ihr hier?! Verschwindet! Los los los! Ab ins Körbchen mit euch.» Der Kapitän hatte eine zerzauste Frisur und stank nach billigem Schnaps.
    «Auf gar keinen Fall. Wir wurden zweimal angegriffen. Vielleicht stecken ja sogar Sie dahinter. Wir wollen sobald als möglich von Bord. Da unten enden wir als Fischfutter.»
    «Von mir aus. Es ist zwei Uhr morgens. Wir sind nur noch 40 Seemeilen von der Küste von Long Island entfernt. In drei Stunden geht’s los. Hier, nehmt den Schnaps, und verzieht euch in die Kombüse! Da ist um diese Zeit niemand. Und lasst euch bloß nicht blicken, bis ich euch hole.»

    11

    Tony genoss das flüchtige Hochgefühl des Alkohols in seinem Kopf. Ein Schluck auf leeren Magen vom hochprozentigen Wodka hatte gereicht. Die kleine Flasche war schnell leer gewesen, das Meiste war zur Desinfektion seiner Wunde draufgegangen. Den Rest hatte Vince ausgetrunken. Die Zeit zerrann nur langsam.  
    Sie hockten an einem langen Tisch beieinander und rauchten schweigend den billigen Zigarettentabak. Sogar Havering hielt einen Glimmstängel in der Hand. Die Schiffsreise hatte bei allen Spuren hinterlassen.
    Gegen 5 Uhr morgens betrat der Kapitän die Kombüse. «Los, aufstehen! Hier, nehmt diese Schwimmwesten und Plastiksäcke für eure Sachen! Und hier ein Kompass. Wir haben die Maschinen gestoppt. Wir treiben auf Land zu und werden gleich ein Schlauchboot verlieren. Ihr geht von Bord, steigt hinein, startet den Motor und fahrt zur Küste. Oder zur Hölle, is’ mir egal.»
    «Was?! Das war aber nicht der Deal. Wir hatten ausgemacht dass uns ein Fischkutter abholt.» Vince erhob sich wie ein Blitz und baute sich vor dem Kapitän auf.
    «Immer mit der Ruhe, Heißsporn! Der Kutter ist ausgefallen. Ihr habt die Wahl. Schlauchboot oder schwimmen. Und jetzt los! Ich hab’ genug von euch.»

    Tony stieg als Erster die Stahlsprossen hinunter, welche er vor zehn Tagen schlotternd erklommen hatte. Im Osten am Horizont des Atlantik kündigte sich mit einem silbernen Schimmer bereits das Morgengrauen an. Über ihm kletterte Vince und noch etwas weiter oben Havering. Sie trugen orange Schwimmwesten, ihre Bündel hatten sie ins Wasser fallen lassen.  
    Tony kam unten an und glitt ins Wasser. Es war eiskalt. Die Beutel mit ihren Habseligkeiten waren bereits ein paar Dutzend Meter zurückgefallen. Das Schlauchboot trieb noch etwas weiter hinten. Der Stahlkoloss bewegte sich in zügigem Tempo auf die Küste zu und entfernte sich laufend vom Treibgut. Die schwarze Stahlwand raste vor Tonys Augen vorbei. Bald war der schwimmende Gigant im Morgennebel verschwunden.
    Nach einer beschwerlichen Schwimmeinlage erreichten Tony und seine Kameraden die Plastikbeutel und eine Viertelstunde später das Boot.

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