SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Verborgenen hatten behalten wollen. Ich konnte mir die relevanten Informationen gerade noch rechtzeitig auf einen privaten Websharing-Service übertragen, um sie zu Hause genauer zu studieren, als die Herren der Dienstaufsicht in mein Büro stürmten und mich eher unsanft hinausspedierten. Der Vorwurf lautete auf das unberechtigte Weitergeben von vertraulichen Informationen an Dritte, was mitunter zum Schwerwiegendsten gehört, was einem Mann in meiner Position zur Last gelegt werden kann. Diese Anschuldigungen sind natürlich völliger Schwachsinn, aber lassen wir das! Kommen wir zum interessanteren Teil!»
Walter Benjamin legte einen Stapel Prints auf den Salontisch und erläuterte Seite um Seite. Das Deckblatt trug den obligaten Vermerk Vertraulichkeitsstufe A-78 . Die folgenden Blätter zeigten eine Handvoll aus großer Distanz oder mit Überwachungskameras erstellte Aufnahmen geringer Qualität. Es waren darauf mehrere Personen und Passanten in wechselnder Zusammensetzung aus unterschiedlichen Blickwinkeln erkennbar. Benjamin deutete auf einen Mann, welcher in unterschiedlicher Kleidung, mit wechselnder Frisur, verschiedenen Sonnenbrillen und sogar unterschiedlichen Körperhaltungen abgebildet war. Erst bei genauer Betrachtung wurde es klar, dass es sich dabei um eine und dieselbe Person handelte.
«Sehen Sie hier!»
Tony fragte sich, ob es sich bei dem Mann um einen gesuchten Verbrecher drehte. Augenfällig war das Fehlen einer Frontaufnahme mit Profilansicht, wie es bei Vorbestraften oder Tatverdächtigen üblich ist.
«Philippe Lombardi, George Sarington, Oliver Timothy Markovich, John Gabriel und viele mehr. Alles Decknamen, allesamt nicht rückverfolgbar. Dieser Mann gehört zu den gefährlichsten Phantomen der Gegenwart. Es gibt keine gesicherten Informationen über Wohnsitz oder wahre Identität. Er ist im Zusammenhang mit verschiedenen Mordanschlägen und mutmaßlich vorgetäuschten Unfällen auf der ganzen Welt aufgetaucht. Seine vielen Opfer lassen sich nicht klar einordnen: Industrielle, Politiker, Drogenbosse, unauffällige Bürger. Ein typischer Cleaner. Ein Profikiller ohne Schatten. Die Kollegen von der NSA haben ihm den Codenamen Molosser gegeben. Sie fragen sich jetzt vielleicht, wie ich auf die Akte gestoßen bin. Nun – seit Anfang letzten Jahres ist der Mann nicht mehr auf dem Radar der Ermittler aufgetaucht. Dies ließ vorderhand zwei Schlüsse zu: Entweder er hat sich zur Ruhe gesetzt, er hat die USA länger nicht betreten oder er ist nicht mehr am Leben.»
Benjamin blätterte um und brachte einen Fotoprint zum Vorschein.
«Leider entspricht dies nicht den Tatsachen. Diese Erkenntnis basiert auf einem Zufall, wie leider allzu oft in Ermittlungssachen. Bei der Überwachung eines Schwarzmarkthändlers drüben in Los Angeles vor ein paar Monaten, welcher den Wünschen seiner Kundschaft für Waffenbedarf mit besonders hohen Ansprüchen nachkam, ist der Molosser plötzlich wieder aufgetaucht. Und wie es der Zufall wollte, kam der zuständige Leiter der FBI-Operation auf mich zu mit der Anfrage, ob ich die während den Ermittlungen aufgezeichneten Personen – es waren etwa drei Dutzend – mit den Fahndungsprofilen des DEA abgleichen lassen könnte. So bin ich auf den Molosser gestoßen, der auch bei uns verzeichnet war. Und zwar als Tatverdächtiger im erweiterten Kreis beim Mord an dem Boss eines Rauschgiftringes vor ein paar Jahren in einem New Yorker Nachtclub. Das ist alles einige Monate her, wie gesagt. Sie waren gerade erst abgereist, Ryan, als ich im Zusammenhang mit meinen Nachforschungen noch einmal auf die Molosser-Akte zugreifen wollte – einem Bauchgefühl folgend. Und jetzt kommt’s: Die Akte Molosser war in unseren Archiven in der Zwischenzeit unter Verschluss gelegt worden, wie auch bei der NSA. Auch bei anderen Behörden war nichts über ihn zu finden. Es dauerte geschlagene 24 Stunden, bis ich endlich unsere eigene Akte beschaffen konnte. Das bedeutet, dass es sich beim Molosser um einen ehemaligen Mitarbeiter einer Bundesbehörde handeln könnte. Vielleicht einen Undercover-Mann. Oder dass jemand von den Staatsdiensten mit dem Molosser in Verbindung gebracht wird. Der Status A-78 der Vertraulichkeitsklassifikation kommt nur bei internen Untersuchungen zum Zug. Und nun wurde der Molosser auch noch in Carls Tweets erwähnt.»
Tony stutzte. «Können Sie mir nochmal die Bilder zeigen? Kann es sein, dass der Molosser am Handgelenk eine kleine, unscheinbare
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