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SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

Titel: SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Dives
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Rausch einer starken Droge. Der laue Hauch des Ostwindes umstrich seine Brust. Der schweißnasse Körper dankte ihm die Abkühlung mit einem wohligen Gefühl der Frische.  
    Nabadoon spürte das Gewicht der Panzerfaust, die an einem Lederriemen über seiner linker Schulter hing. Seine Hand ruhte auf dem kühlen Metall des voluminösen Geschosses. Die Finger zitterten ganz leicht. Sein Geist war trunken vom Rausch des Triumphes. Es war der schönste Moment in seinem Leben.  
    Das Gefühl der grenzenlosen Macht entschädigte ihn für 24 Jahre in tiefster Armut, welche er ohne irgendwelche Aussichten auf ein besseres Leben als das seiner Vorfahren verbracht hatte.  
    Der Straßenstaub der Außenbezirke von Muqdisho, der durch die Ritzen in den Mauern sämtlicher Gebäude bis tief in die Seele der Menschen von Soomaaliya drang, war von Geburt an sein treuester Begleiter gewesen. Dazu gesellten sich Hunger, notdürftig zusammengeflickte Kleider, die Bomben und Geschosse der verschiedenen Clan-Milizen und ausländischen Truppen – und der feine Hoffnungsschimmer, irgendwann ganz oben zu stehen. Wie jetzt. Als neuer Herr dieses gigantischen Frachtschiffes.  
    Es war Nabadoons kühnster Traum gewesen, ein mächtiger Warlord zu werden, seit er sich mit ein paar anderen Jungs aus dem selben Viertel zu einem eigenen Clan zusammengeschlossen hatte. Sie gehörten alle zu den Abgal-Hawiye, waren früh verwaist oder ganz ohne leibliche Eltern aufgewachsen. Der Bund unter ihnen hatte ihnen allen Mut und Hoffnung gegeben. Die nötige Kraft, um den derben und lebensgefährlichen Alltag durchzustehen.  
    Nabadoon konnte sich gut an den lauen Frühlingsabend vor dreizehn Jahren erinnern, als sie – die fünf milchbärtigen Jünglinge Nabadoon, Abshir, Arif, Djamal und Kalil – sich schworen, die Hauptstadt und bald darauf das ganze Land zu unterwerfen.  
    Ein simpler Kodex verband die Halbwüchsigen. Über ihre Vorhaben und Pläne wurde in der Gruppe abgestimmt, jeder hatte eine Stimme. Sie trafen sich an einem geheimen Ort, jeden Abend zur selben Zeit; jeder musste allein und auf Umwegen dorthin gelangen, um kein Aufsehen zu erregen. Nur sie kannten ihre Pläne, niemand außerhalb des Kreises durfte je etwas von ihrem Abkommen erfahren.
    Wurde einer der Jungs bei einem ihrer Jobs, welche sie für die Clanlords ausführten, geschnappt, galt das Gebot des eisernen Schweigens. Niemals durfte die Schwäche eines Einzelnen ihre Sache gefährden, egal wieviele Schläge oder andere Erniedrigungen er über sich ergehen lassen musste. Im Gegenzug sorgten sich die Bundesbrüder um die Pflege der Geschundenen, damit diese bald wieder zu Kräften kamen.  
    Das war das Versprechen ihres Schwurs.  
    Den jungen Kriegern waren die politischen und religiösen Interessen ihrer erwachsenen Vorbilder fremd. Ihre Idole, die regierenden Clanlords von Mogadischu, waren ihre Herren. Aber die ständigen Rangeleien um die Vorherrschaft in der Hauptstadt empfanden Nabadoon und seine Freunde als sinnlos.  
    Sie interessierten sich ausschließlich für Reichtum, für ein gutes Leben in Saus und Braus. Mit jeder Menge Schnaps, teuren Autos und geilen Bräuten. Um ihr Ziel zu erreichen, waren sie zu allem bereit. Sie waren clever, kaltblütig und flink. Und sie hatten Erfolg.
    Zu Beginn hatten sie für einen der bedeutendsten Warlords der Stadt gearbeitet. Nachts, meist während der Ausgangssperre. Die Jobs für Hussain Adil Akambis Clan war gefährlich, aber für ihre Verhältnisse vorzüglich bezahlt.  
    Tagsüber konnten sie sich als Knaben in der vom Bürgerkrieg zerrissenen Stadt freier bewegen als die erwachsenen Milizkämpfer. Sie bauten Barrikaden aus brennenden Autoreifen, um zu verhindern, dass feindliche Clan-Pick-ups oder UN-Aufklärungsfahrzeuge in bestimmte Quartiere rollten. Sie absolvierten Kurierdienste, überbrachten Botschaften, Verpflegung, Medikamente, Ausrüstungsgegenstände oder Munition. Und zwar überall da hin, wo Hussain es für nötig hielt, egal ob es Granaten hagelte oder Maschinengewehrsalven die Luft zerrissen. Die Schmuggelware versteckten sie in ihren Leinenbeuteln gefüllt mit Mehl oder Reis. Die erwachsenen Kämpfer respektierten die Knaben für ihren Fleiß, ihre Zuverlässigkeit und ihren Mut.  
    Niemals würde Nabadoon seinen 15. Geburtstag vergessen, als ihm Hussain höchstpersönlich ein Klappmesser überreichte. Seine Initialen waren in die Klingen eingraviert worden. Das Messer war zu seinem treuen Begleiter

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